Eine Tätigkeit ohne Ziel und Zweck ausführen, völlig fokussiert ganz in etwas aufgehen und darüber Zeit und Raum vergessen, das können Kinder meist besser als ihre Eltern. Die Rede ist von Flow-Erlebnissen. Ein Interview mit der Pädagogin Sarah Zauner, die sich in ihrer Magisterarbeit dem Thema gewidmet hat. Sie rät Eltern, eher ausgewähltes  Spielzeug zu verwenden, welches Freiheiten für Kreativität lässt, auf Zeit für Müßiggang und freies Spielen sowie Raum für Experimente zu setzen

Bitte beschreibe einen typischen Flow-Zustand?
Ich male ein Bild mit vielen Mustern, ich versinke so in meiner eigenen Welt mit dem Bild und rundherum nehme ich nichts wahr, vergesse die Zeit, verspüre weder Hunger noch Durst, ich könnte den ganzen Tag so vor mich hinmalen.
Man kommt in einen Flow-Zustand, wenn man etwas wegen der Tätigkeit an sich macht und nicht einen bestimmten Zweck oder ein Ziel verfolgt. Das wäre zum Beispiel bei Spielen so. Kinder spielen wegen der Tätigkeit an sich, weil es ihnen Spaß macht. Gerade kleine Kinder erleben meist viele solcher Tätigkeiten in ihrem Alltag.

Was ist Flow, kannst du das in einem Satz erklären?
Flow ist ein Zustand optimaler Erfahrung, der zu Glück führt. Für jeden erlebbar, unabhängig von Geschlecht oder Herkunft.

Was sind die Kennzeichen von Flow? Wie macht sich Flow bemerkbar? 
Ganz wichtig: Die eigenen Fähigkeiten sind mit der auszuführenden Tätigkeit im Gleichgewicht, man ist weder über-, noch unterfordert, ist weder gelangweilt, noch hat man Angst davor. Es muss genau das richtige Maß an Forderung vorhanden sein, damit Flow entstehen kann. Außerdem ist man beim Flow völlig eins mit dem Bewusstsein und der Tätigkeit. Die volle Konzentration ist also auf die Tätigkeit gerichtet. Die Aufmerksamkeit muss gezielt ausgerichtet sein für den Flow-Zustand, also Denken und Handeln stehen im Einklang.

Im Alltag kann das oft ganz anders aussehen: der Schüler denkt vielleicht im Unterricht an den Streit vom Vortag und die Mutter macht sich bei der Hausarbeit Sorgen um ihr Kind. Im Flow kommt es zu einer Zeitvergessenheit im Tun, diese führt auch oft zu Problem- und Selbstvergessenheit. Tätigkeiten einfach aus Freude auszuführen, können Kinder besonders gut und Erwachsene üben diese Tätigkeiten oft mit einem bestimmten Ziel oder Zweck aus.    

Wie können Eltern Flow und Kreativität bewusst in die Erziehung ihres Kindes einbeziehen?
Man glaubt oft, Kreativität fördern bedeutet, das Kind in einen Malkurs stecken, es ein Instrument lernen lassen etc. Grundsätzlich ist es gut, den Kindern Freiheiten zu lassen und so ein Angebot zu schaffen, damit sie spielen können.
Flow-Zustand entsteht, wenn man etwas nur wegen der Tätigkeit an sich macht, also mit etwas, das einem Spaß macht. Der Hirnforscher Gerald Hüther sagt, dass Eltern ihre Kinder nicht zu ihren Objekten der Erwartung machen sollen, sondern die Eltern sollen den Kindern zugestehen, dass sie sie selbst sein können. Man kann die Kinder beim Spielen beobachten und sieht so am besten, was ihre Interessen, Begabungen, Talente sind. Freies Spielen, experimentieren, aber auch Müßiggang wirkt sehr kreativitätsfördernd.

Es ist wichtig, den Kindern Zeit zu geben, so entstehen gute Ideen, bei oft banalen Tätigkeiten zwischendurch. Aber auch den Kindern Raum und Materialien zum Experimentieren zu geben wirkt sehr anregend auf die Kinder. Kreativität fördert auch, wenn eher wenig Spielzeug zur Verfügung steht.
Ich hatte in meiner Kindheit die Gelegenheit, viel draußen zu sein und habe mir selbst Spielzeug gebastelt aus Naturmaterialien. Wir haben aus Nichts eigene Welten geschaffen.
In Kindergärten werden zum Teil schon spielzeugfreie Zeiten angeboten. Dann gibt es nur Stifte und Papier und ansonsten spielen die Kinder miteinander und können so durch ihre Vorstellungskraft zum Beispiel eigene Spiele erfinden.

Auch wir Erwachsene sollten so viel Zeit wie möglich im Flow verbringen, was können sich die Großen von den Kleinen abschauen?
Erwachsene haben meist viel Verantwortung, die oft einhergeht mit Druck, Stress, Ängsten und machen oft Dinge, um Geld zu verdienen etc., aber weniger wegen der Tätigkeit an sich. Kinder haben hier mehr Möglichkeiten, ihrem innersten Spieldrang nachzugehen. Sport, Spiele, Rituale, Kunst führen häufig zu Flow. Schon in alten (indigenen) Kulturen wurde viel mehr Zeit mit Geschichten erzählen, Schauspielen, Singen und Tanzen verbracht als wirklich mit Arbeit. Schon vor 3000 Jahren haben Menschen ihre Höhlen dekoriert, schreibt der Flow-Forscher Mihaly Csikszentmihalyi und der Hauptgrund, Kunst auszuüben ist früher wie heute: Flow, bei Kindern wie auch Erwachsenen.

Sarah Zauner (geb. 1995) hat sich in ihrer Diplomarbeit mit Flow beschäftigt: „Kunst als Weg zum Glücklichsein – Glücksforschung, Flow und Kunsttherapie. Kunstuniversität Linz, 2021. 

Tipp: 
Mihály Csíkszentmihályi: Flow: Das Geheimnis des Glücks. 2017, Verlag Klett Cotta. 

Mihály Csíkszentmihályi: Flow und Kreativität. 2014, Verlag Klett Cotta.


Podcast (auf z.Bsp. Spotify): Kreativität und Verbundenheit bei Kindern fördern. 

 

Maria Zamut