Foto: Fotolia/Gina Sanders

Foto: Fotolia/Gina Sanders

„Mach dich selbst zur wichtigsten Person in deinem Leben“, rät Alexandra Widmer, Neurologin und Psychotherapeutin und selbst Alleinerzieherin allen anderen, die ihr(e) Kind(er) solo groß ziehen. Grünschnabel-Redakteurin Eva Großmann hat ihr Buch “Stark und alleinerziehend” gelesen.

„Stark und alleinerziehend“ – der Titel des Buches war für mich anfangs irritierend. Zwar müsste man als Alleinerziehende/r immer stark sein (glaubt man), aber ich zumindest fühle mich oft überfordert und ungenügend. Bald merkte ich jedoch, dass allein das Lesen des Buches schon stärkend ist. Da weiß eine, wovon sie schreibt. Sie gibt fundierte Hilfestellung, sich nicht mehr selbst zu sabotieren, sondern die eigenen Stärken neu zu entdecken und im Alltag (er)lebbar zu machen.

Zu Beginn stellt Widmer die Frage: „Wie schaffe ich das bloß alles?“ Sie schildert die herausfordernde Situation von Alleinerziehenden ungeschminkt. Und antwortet am Ende des Kapitels: „Mach dich selbst zur wichtigsten Person in deinem Leben.“ Der Rest des Buches erläutert, wie das ganz praktisch möglich sein kann.

Als Ausgangspunkt beschreibt sie, wie wir unser inneres Drehbuch schreiben, mit den sieben wichtigsten Rollen: die bedürftige Kleine, die strenge Richterin, die Kämpferin, die Flüchtende und die Dienende, die glückliche Kleine und die gesunde Große. Sie schildert – immer anhand von Fallbeispielen – verschiedene Möglichkeiten, destruktive Selbstgespräche zu führen und erläutert, welche inneren Rollen dabei beteiligt sind. Daraus kann man (anhand kleiner Fragenkataloge) ableiten, welche psychischen Grundbedürfnisse, z.B. nach Unabhängigkeit oder Sicherheit, nicht erfüllt sind.

Nach dieser „Fehleranalyse“ gibt es eine genaue Anleitung, destruktive Selbstgespräche zu hinterfragen und gute und hilfreiche Selbstgespräche zu entwickeln. Das kommt einem zuerst einmal aufgesetzt vor. Aber schon bald wird klar: Wir müssen die Rolle der gesunden Großen in uns stärken, wenn wir etwas zum Positiven verändern wollen.  Denn die gesunde Große kann den Blick auf das richten, was funktioniert, kann die Realität akzeptieren statt gegen Windmühlen zu kämpfen, kann sich innerlich distanzieren und die positiven Aspekte an einer Situation sehen. Durch regelmäßiges „Umschreiben“ des inneren Drehbuchs wird die gesunde Große gestärkt, die strenge Richterin schweigt immer öfter und die Bedürfnisse der Kleinen in uns müssen nicht mehr durch Kampf, Flucht oder Anpassung erkauft werden. Und wenn man immer öfter der gesunden Großen die Hauptrolle gibt, dann wird aus dem Drehbuch langsam Realität.

Das geht natürlich nicht von heute auf morgen und verlangt die Bereitschaft, sich mit eigenem Verhalten und Gefühlen auseinander zu setzen. Ein ganzes Kapitel widmet die Autorin den Gefühlen Angst, Einsamkeit, Schuld, Trauer und Wut (also den bekanntesten Begleiterinnen Alleinerziehender). Wieder wird aus der Sicht unserer inneren Rollen betrachtet, wie wir mit Gefühlen anders – nämlich wohlwollend – umgehen können.

Und nicht zuletzt gibt es eine ganze Reihe von weiteren Anregungen zu einem guten Umgang mit dir selbst. Sie scheinen einfach und sind doch sehr wirkungsvoll. So geh ich jetzt zum Beispiel öfter mal früh ins Bett. Schlaf stärkt auch. Und es stört eh nur die strenge Richterin, wenn überall Spielsachen herumliegen oder die Küche nicht aufgeräumt ist.

Stark und alleinerziehend von Alexandra Widmer

Buch: Alexandra Widmer: Stark und alleinerziehend. Wie du der Erschöpfung entkommst und mutig neue Wege gehst. Kösel Verlag, 2016.

 

Eva Grossmann