Kennst du Momo? Die Geschichte von den grauen Herren, die den netten FreundInnen des kleinen Waisenmädchen Momo die Zeit stehlen? So ähnlich kommt mir der Umgang vieler Jugendlicher mit dem Smartphone vor. Smartphones als die grauen Zeitdiebe unserer Zeit?

Hier wie da merken es die „Opfer“ gar nicht, wie sehr sie unter Druck gesetzt, bedrängt und bestohlen werden um das Wertvollste, das sie haben: Ihre Lebenszeit. Aber von Beginn an. Zum Nachdenken darüber brachte mich eine ORF-Sendung: „Dok 1: Drei Wochen Handy-Entzug – Das Experiment“ Darin nahmen sich 69 Jugendliche vor, für drei Wochen auf das Smartphone zu verzichten. Um zu sehen, wie das Leben ohne SnapChat, Insta und TicToc so sein kann. Das Handy ist für fast alle jungen Menschen zwischen 15 und 18 Jahren „ständiger Begleiter“ im Alltag, 77 Prozent haben eine „problematische Internetnutzung“, die an Suchtverhalten grenzt.

Zwischen 5 und 16 (!) Stunden verbrachten die Jugendlichen vor dem Experiment am Smartphone. Ein Leben ohne Handy war zunächst kaum vorstellbar. Muss doch das Handy im Alltag herhalten als Wecker, Uhr, zum Zeit füllen, gegen Langeweile, als Kommunikationsmittel, als Navi, Geldbörse, zum Musik hören, als Kalender, Fahrschein, zum Spielen, zur Unterhaltung bis hin zur Einschlafhilfe.

Entsprechend fühlte sich das offline-gehen an. Von 16 auf Null Stunden von heute auf morgen kam für viele einem „kalten Entzug“ gleich – mit entsprechenden Symptomen. Ein Drittel der Teilnehmenden berichteten über Kopfschmerzen, Gereiztheit, Schlafstörungen, Aggressivität, Schmerzen am ganzen Körper etc.   

Nach kurzer Zeit stellte sich aber auch bei vielen „ein Gefühl von Freiheit“ ein, etwas wie „Erleichterung“ und manche erzählten, dass sie plötzlich „Vögel zwitschern hören“, seit langem wieder einmal mit den kleinen Geschwistern spielten, Bücher lasen und länger und besser schlafen würden, sich wohler und weniger gestresst und überhaupt besser gelaunt fühlten.

Manche fragten sich in der Folge selbstkritisch, wieviel von ihnen als Schwester, Tochter, Freundin und Enkelin an das Handy verloren ging? Die jetzige Jugend wird als sogenannte „digital natives“ bezeichnet. Es handelt sich um die erste Generation, die mit dem Handy aufgewachsen ist. Für sie ist es so selbstverständlich wie Hände waschen. Ein entsprechend gravierender Einschnitt in ihr Alltagsleben war der Verzicht auf das kleine digitale Wunderding. Für manche stellte es sich als schier unmöglich heraus ohne Handy-Navi Auto zu fahren. Lernen aus Heften und Büchern wirkt „echt retro“ und kochen oder spazieren gehen löst „Phantomgreifen“ an die Gesäßtasche aus – wird doch jedes klitzekleines Zeitfenster mit Handyscrollen überbrückt.

So ist es kaum verwunderlich, dass 21 TeilnehmerInnen das Experiment abbrachen, aber immerhin 48, also rund zwei Drittel, hielten die drei Wochen ohne Smartphone durch. Über die Gründe dafür geben Aussagen wie diese Aufschluss: „Man hat das Gefühl, ohne Smartphone viel mehr Zeit zu haben. Vor allem Social-Media-Apps wie Insta, TicToc und SnapChat wurden als „Riesen-Zeitfresser“ enttarnt.

Die begleitende wissenschaftliche Auswertung zeigt, dass zwar ein Drittel der Teilnehmenden bei dem Experiment Entzugserscheinungen erlitten, aber auch, dass in der Folge Depression um 30 Prozent abnahm. Verblüffend: Drei Wochen Handyentzug wirkten sich auf die psychische Gesundheit positiver aus als zwei Wochen Ferien.  

Was ist also die Folge dieser Erkenntnisse? Ganz Verzichten auf das Handy? Geht nicht, es erleichtert das Leben und die Kommunikation einfach zu sehr. Experimente wie dieses werfen Fragen auf, die nur jeder einzelne für sich beantworten kann: Will ich wirklich Sklave/Sklavin der „grauen Herren“ sein? Stress, Depression, Überforderung und Entfremdung von meinen Liebsten als Gegenleistung für die „gestohlene Zeit“ akzeptieren? Oder gestehe ich den Betrug an mir selbst ein und bleibe HerrscherIn über meine Lebenszeit. Dies bedeutet, das Leben im Hier und Jetzt und das Zusammensein mit anderen genießen. Tja, schwierig Frage, oder?

Maria Zamut