Foto: RainerSturm_pixelio.de

Es beginnt schon im Kleinkind-Alter. Zweimal pro Woche kommt das Kind in eine Spielgruppe, damit es früh mit Gleichaltrigen sozialisiert wird. Dazu noch Kleinkind-Turnen und Schwimmen, und schon ist die Woche des Kindes – und der Jung-Mama – verplant. Die Eltern haben dabei nur gute Hintergedanken: Das Kind soll ausreichend gefördert werden, schon von Anfang an einen Vorsprung in der harten Lebenswelt und es dadurch später leichter haben. Ein Kind, das mehrsprachig aufgezogen wird, und schon zu Beginn der Volksschule drei Sprachen spricht, kann im Laufe der Schulkarriere noch zwei weitere Sprachen mühelos dazulernen (mindestens). Dann kann es Übersetzer werden, oder – falls das sprachliche Interesse eigentlich gar nicht so ausgeprägt ist – mit diesen Zusatzqualifikationen in jedem anderen Beruf besser ausschauen.

Das Freizeitmanagement von heute erinnert daran, was Michael Ende schon 1973 in „Momo“ schrieb: „Kinder sind das Menschenmaterial der Zukunft. Ein Heer von Spezialisten und Facharbeitern wird notwendig sein, um all die Maschinen zu bedienen. Aber anstatt unsere Kinder auf diese Welt von morgen vorzubereiten, lassen wir es noch immer zu, dass viele von ihnen Jahre ihrer kostbarsten Zeit mit nutzlosen Spielen verplempern.“
Als Lösung werden in „Momo“ so genannte „Kinder-Depots“ eingerichtet, damit die Kinderzeit effektiv genutzt werden kann.
 

Eltern als Freizeitmanager und Chauffeure

Glücklicherweise bilden die Kinder mit prall gefüllten Terminkalendern noch nicht die Mehrheit. Zwei Drittel aller 10- bis 18-Jährigen betreibt beispielsweise so gut wie keinen Sport in ihrer Freizeit. Das verbleibende Drittel ist allerdings sportlich so aktiv, dass es den gesamten Durchschnitt auf zwei Stunden täglich hebt. So absolvieren wenige Kinder ein Programm, das locker für alle Kinder reichen würde.

Ein umfangreiches Freizeitprogramm zieht natürlich auch umfangreiche Folgewirkungen an. Eltern müssen in permanenter Bereitschaft stehen, um die Kinder zu ihren Terminen zu bringen, sie wieder abzuholen und sie zu „Zusatzaktivitäten“ zu motivieren. Denn wenn das Kind ein bis zwei Instrumente spielt, ist es mit der wöchentliche Übungsstunde nicht vorbei. Instrumente müssen täglich zuhause geübt werden. So viele Termine erzeugen familiären Stress. Die Eltern müssen ihren eigenen Freizeit-Alltag an den Aktivitäten der Kinder ausrichten und dienen als Freizeitmanager und Chauffeure ihrer Kinder.

Doch gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut. Denn einige Kinder werden durch die intensive Förderung nicht fit für die Zukunft, sondern sind dadurch überfordert und haben zum Teil auch Burn-out-Symptome. Manche Kinder reagieren mit Bauch- oder Kopfschmerzen, Müdigkeit und Schlafstörungen. Andere werden hyperaktiv, aggressiv, nervös oder völlig antriebslos. Und so sorgt man sicher erst, ob man das Kind ausreichend fördert, und dann, ob das Förder-Programm nicht vielleicht Stress für die Kinder bedeuten könnte.
 

Was die Psychologie sagt

Eltern können jedoch ganz beruhigt sein: Untersuchungen aus der Lernpsychologie zeigen, je freier ein Kind aufwächst, desto intelligenter wird es. Denn Begabung braucht Zeit zu reifen. Diese Zeit sollten Eltern ihren Kindern ermöglichen – und sich bewusst machen, was ihre Kinder wirklich fit für die Zukunft macht: Mit Gleichaltrigen zusammen sein, Selbstbewusstsein aufbauen, Freude am Lernen entwickeln.
Wenn jeder Nachmittag ein vorgegebenes Programm hat, bleibt den Kindern keine Zeit mehr, sich frei zu entfalten. Freie Zeit bedeutet, dass die Kinder sich Gedanken machen müssen, wie sie die Zeit füllen möchten, dass sie sich mit Freunden verabreden und sich selbst organisieren.
Daher: Zwei Hobbys bzw. zwei fixe Termine pro Woche reichen. Dann bleibt den Kindern noch genügend wirkliche „Freizeit“, um sich zu entfalten.

 

Manuela Hoflehner