Heute ist es so weit – mein erster Arbeitseinsatz in der Leisenhof-Gärtnerei steht bevor. Was wird wohl meine erste Aufgabe sein? Unkraut jäten, Kräuter ernten, Beete mulchen? Gespannt und ein wenig aufgeregt trete ich durch das offene Tor im langgezogenen Holzzaun gegenüber dem Petrinum am Fuße des Pöstlingbergs. 

Einmal wöchentlich werde ich ab nun in der biologisch-dynamisch geführten Gärtnerei mithelfen, als Ausgleich zu meiner Tätigkeit als Journalistin und Trainerin, bei der ich hauptsächlich mit dem Kopf und mit dem Computer arbeite. Ich habe – wie wohl viele Menschen heutzutage – Sehnsucht danach, meine Hände zu benutzen, Pflanzen zu berühren, in der Erde zu wühlen. Klaus, der Pächter der Gärtnerei, war meiner Idee gegenüber aufgeschlossen und hat mir angeboten, dass ich dafür an den gemeinsamen Mahlzeiten teilnehmen und auch ein wenig Gemüse, Kräuter etc. mit nachhause nehmen kann. 

Neben dem “alten Klaus”, wohl dem erfahrensten Mitarbeiter hier, gibt es noch den “jungen Klaus”, der als Gärtner am Leisenhof arbeitet. Er zeigt mir die Beete und Gewächshäuser, erklärt mir, was wo angebaut wird, und dass es in einem der Gewächshäuser ein mit Pferdemist beheiztes Beet gibt, in dem die Aussaat schon im Februar beginnen kann. 

Als sanften Einstieg in die Arbeit darf ich Kamillenblüten ernten. Der junge Klaus erläutert, dass die echte Kamille, die hier fast überall zwischen den Kräuter- und Gemüsebeeten wächst, zu den Korbblütengewächsen gehört, und zeigt mir, dass ich eher die jungen Blüten abzupfen soll. Kaum habe ich begonnen, Blüte für Blüte in meinen blauen Korb zu legen, ertönt ein lautes und ziemlich unmelodiöses Geräusch. Kein Zweifel – das muss das Horn sein, das zum MIttagessen einlädt, so wie der junge Klaus es angekündigt hat. 

Bei der einfachen Mahlzeit sitzen dann gut zehn  Männer und Frauen unter freiem Himmel am Holztisch. Nach dem kurzen “Tischgebet”, bei dem ein Dank an Erde und Sonne ausgesprochen wird, werden in aller Ruhe Gemüse, Spiegeleier, Salat, Brot und Gerstenreis verzehrt. Schon vor der Nachspeise verlasse ich den Tisch wieder – schließlich bin ich nicht zum Essen gekommen, sondern zum Arbeiten, und die bisherige Kamillenblütenausbeute ist für meinen Geschmack noch viel zu gering. 

Eine Handvoll Kamille.
Daran ändert sich aber auch im Lauf des Nachmittags nicht viel. Für jemanden wie mich, der ständig online ist, Unmengen an Mails liest und schreibt, telefoniert, organisiert, für den das (Arbeits-)Leben einen ziemlich schnellen Takt vorgibt, ist es eine interessante Erfahrung, dass nach einer Stunde Ernte gerade mal ein Handvoll Kamillenblüten im Korb liegt. Der alte Klaus scheint das aber ganz normal zu finden. Er zeigt mir, wohin ich die Blüten bringen kann. In einem Holzkasten gibt es mehrere Etagen mit flachen Sieben, auf denen Spitzwegerich, Brennnesseln und andere Pflanzen zum Trocknen aufgelegt werden. Sie werden zu Tee verarbeitet. 

Dann ernte ich gemeinsam mit dem alten Klaus noch eine Kiste voll Spinat. Er zeigt mir, wie ich die Blüten entfernen kann – sie haben einen bitteren Geschmack -, und dass Blätter, die seltsam “zerknüllt” aussehen, meist von Läusen befallen sind. Langsam gehe die Spinatzeit zu Ende, so der besonnene Mann, der eine wohltuende Ruhe ausstrahlt. Neben dem normalen grünen Spinat wächst hier auch die so genannte Melde, eine Spinatart mit purpurfarbenen Blättern. “Kürzlich habe ich eine Kiste davon in den Hofladen gestellt”, schmunzelt Klaus, “die stand am Abend noch immer unberührt da. Die Leute sind halt den grünen Spinat gewohnt.” Wir philosophieren ein wenig über Konsum- und Ernährungsgewohnheiten und ich muss darüber lachen, dass Spinat für mich in meiner Kindheit ein tiefgefrorener dunkelgrüner Quader war, und erinnere mich an meine staunende Reaktion darauf, zum ersten Mal ein echtes Spinatblatt zu sehen. 

Reine Handarbeit.
Klaus erklärt mir auch, dass hier alles händisch gemacht wird. Und dass es einen Unterschied macht, wann im Tagesverlauf man erntet. Alles, was über der Erde wächst, solle man eher am Vormittag ernten, denn da streben die Säfte nach oben. Alles, was unter der Erde wächst, wird eher am Abend geerntet, weil sich die Säfte dann wieder zurückziehen. Das klingt sogar für einen ahnungslosen Stadtmenschen wie mich völlig logisch. 

Knapp drei Stunden, nachdem ich durch das Gartentor getreten bin, verlasse ich die Leisenhof-Gärtnerei wieder. Angenehm entschleunigt fühle ich mich, und der feine Duft der Kamillenblüten begleitet mich auf dem Nachhauseweg. Eines ist sicher: Ich freue mich schon auf meinen nächsten Arbeitstag hier im Leisenhof.