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Über Waldmäuse und Sonnenkinder

Grünschnabel hat sich bei der „Sonnenkinder“-Gruppe im Waldkindergarten Wilhering/Leonding umgesehen. Die Kinder spielen jeden Tag und bei jeder Witterung im Wald. Die Folge: Wenig Krankheiten, wenig Konflikte, viel freies Spielen in der Natur.

Die Sonne scheint, ein zapfiger Februar-Wind pfeift um die Bäume, das Gras auf der Wiese vor dem Wald ist steifgefroren – nichtsdestotrotz sitzt eine kleine Gruppe Kinder dick eingepackt in gefüttertem Gatschgewand, Haube und Handschuhen vor dem Wald und singt fröhlich zu Gitarrenmusik über „Bruder Sonne und Schwester Mond“. Ihre Augen glänzen und ihre Wangen sind gerötet. Es ist die Gruppe der „Sonnenkinder“ des Waldkindergartens Wilhering/Leonding, die hier fröhlich im Freien ihren Vormittag verbringt – so wie jeden Tag.

Die „Waldmäuse“ haben sich ein windstilles Plätzchen mitten im Wald beim riesigen umgestürzten Baumstamm gesucht, der normalerweise als Kletterbaum dient. Heute ist er die Bühne für ein Kasperltheater. Die Kinder sitzen am Waldboden auf ihren Füßen oder auf dicken Laubpolster. Wem es zu kalt ist, der schnappt sich eine Schaumstoffunterlage. „Unsere Kinder sind das gewohnt, die sind abgehärtet“, sagt Judith Bayer, Gründerin und pädagogische Leiterin des Waldkindergartens. „Ich bin selbst oft erstaunt, wie viel die Kinder draußen sein wollen, auch bei schlechter Witterung. Die Kinder bewerten das Wetter noch nicht so wie wir Erwachsenen!“
Angefangen hat die Betreuung der Kinder im Freien in Form von Spielgruppen.

Stück für Stück zum freien Spiel im Wald
Kindergartenpädagogin Bayer: „Ich hab ein bissl was Bekanntes mitgenommen: Bagger, Sand zum Schaufeln,… und dann, Stück für Stück haben wir uns mit den Kindern, die das nicht gewohnt waren, in den Wald vorgetraut. Anfangs hab‘ ich noch viel vorgespielt, bin selbst über Bäume balanciert – dann ging’s ganz schnell, dass sich die Kinder ans freie Spiel im Wald gewöhnt hatten.“

Der Weg zum regulären Waldkindergarten war dann aber noch ein steiniger, denn die Verantwortlichen beim Land meinten: So was gibt’s einfach nicht! Gab’s doch, aber vor allem erst in Dänemark und Deutschland – und dort immer erfolgreicher. Denn die Untersuchungen über die Auswirkungen von Waldkindergärten auf die Kinder sind überaus positiv. „Unsere Kinder haben ein unglaubliches Muskelkorsett“, erzählt Bayer. „Durch das regelmäßige Falltraining sind sie total geschickt und können Gefahren gut abschätzen.“

Statt Stress viel Achtsamkeit und Ruhe
Im Wald wird kein Stress aufgebaut, die Waldkinder sind viel achtsamer und generell ruhiger als andere Kinder. „Wir haben wenig Konflikte unter den Kindern“, sagt Bayer. Auch sind sie viel seltener krank. „Bei uns gibt’s keine Krankheitswelle. Die Kinder sind sehr gesund.“ Durch das freie Spielen sind die Kinder sehr kreativ und kommunikativ. „Das kommt ihnen natürlich dann in der Schule zugute“, sagt Bayer und räumt damit gleich mit einem Vorurteil gegenüber den Waldkindergärten auf. „Es ist eine große Illusion, zu glauben, die Kinder würden schulreif, weil sie langes Sesselsitzen gewöhnt sind.“

Es geht viel im Wald – auch lerntechnisch. Dazu haben die Waldmäuse und Sonnenkinder unzählige, meist natürliche Anregungen. Der Platz am Waldrand ist groß, auch die Wiese davor steht zur Verfügung. Es gibt eine beheizte Jurte, wo man sich immer aufwärmen und nasse Kleidung wechseln kann. Auch eine Zelthalle und ein Bauwagen stehen zur Verfügung sowie ein großer Sandplatz, große Weinfässer und aus Ziegeln mit den Kindern gebaute Unterschlupfe. Die Kinder haben vielfältigste Möglichkeiten, sich zu beschäftigen. Natürlich steht dahinter immer ein pädagogischer Wochenplan. Doch wird vor allem sehr viel Wert gelegt auf das freie Spiel, bei dem die Kinder ihre Potenziale ganz natürlich ausloten können.

www.naturpaedagogik.net [1]

 

Daniela Christl