Feine Vorlese-Geschichten voll Lebensweisheit von Eichhörnchen, Ameise, Elefant, Krebs, Erdferkel und Co.

Ein exquisites Büchlein über die Macht der Emotionen

Für Kinder ab 6 Jahren

Buchcover: Hanser

Gefühlsausbrüche sind Zeichen für Lebendigkeit. Inneres Feuer, unbändige Lebenslust, Antrieb und Durchsetzungskraft erzeugen im Miteinander schnell einmal Reibungswärme. Sie bringen zwar Abwechslung und Farbe in unser Dasein, sind aber nicht immer angenehm. Doch starke Gefühle gehören nun einmal zu unserem Leben.

Wertvolle Wegweiser durchs Leben

Für ein Vorschulkind ist es unheimlich wertvoll, Emotionen zu reflektieren und sich im Gespräch mit einem begleitenden Erwachsenen über sie auszutauschen. Die eigenen inneren Impulse zu kontrollieren und die Ursache für manche Regungen verstehen zu lernen ist eine lebenslange Aufgabe, wenn man nicht blind vor Wut oder starr vor Angst unterwegs sein will.

Schon einmal so oder so ähnlich gefühlt?

Die versammelten Geschichten handeln von Situationen, die wir alle schon einmal in Variation durchgestanden haben: Der Elefant möchte so gerne bis in den Baumwipfel hinauf klettern, um die Aussicht zu genießen. Doch immer wieder kracht er danach hinunter, nur um unermüdlich sogleich wieder mit dem Aufstieg zu beginnen. Elefanten klettern nun einmal nicht auf Bäume, könnte man neunmalklug am Ende der Geschichte meinen. Oder: „Hochmut kommt vor dem Fall!“ Doch nein, gerade das Eingeständnis, dass es nicht leicht ist, die eigenen Grenzen zu akzeptieren, die Erkenntnis, dass es weise ist, sich auf seine Stärken zu konzentrieren und sich daran zu erfreuen – das sind Quantensprünge in der Entwicklung zum starken Selbst.

Sand im Getriebe

Auch Zwischenmenschliches betrachtet Tellegen mit feinem Humor. Spielchen mit den Erwartungen und Gefühlen andere, wie sie Groß und Klein immer wieder gerne betreiben und wobei es um Nähe und Distanz, Macht und Ohnmacht, Abhängigkeit und Selbstermächtigung geht, helfen uns dabei, uns selbst und unsere Gefühle gut spüren und einordnen zu lernen. Die Geschichten lassen uns diese Mechanismen durchspielen und laden zum Nachdenken ein.

„Wenn ich dir sage, dass ich verreise“, fragte die Ameise das Eichhörnchen, „wirst du dann traurig?“

Poetische Töne

Der Krebs hat sich auf die Wut spezialisiert. Ein ganzes Sortiment davon hat er in seinem Koffer, mit dem er von Tür zu Tür geht: eine hübsche, dünne, hellrote Wut; runzeliger, grauer, Ärger; grünlicher Zorn oder schneeweiße Raserei. All das bietet er der Maus an, die gerade beginnen will, ein phantastisches Blumenbild zu malen. Ganz unten im Koffer liegt etwas Hellblaues. Das will die Maus. Das ist keine Bosheit. Der Krebs muss sich räuspern. „Das ist Traurigkeit. Das verkaufe ich nicht. Aber weil Sie es sind … Es ist genau genommen Wehmut“, sagte der Krebs. „Das ist mehr als Traurigkeit.“ … Die Maus setzte sich ans Fenster. Sie wickelte sich in ihre Wehmut und schaute in die Ferne.

Toon Tellegen kennt die Menschen gut und ist einer der bekanntesten Schriftsteller der Niederlande. Als Arzt hat er in Kenia gearbeitet bevor er sich als Lyriker in Amsterdam niederließ. Zahlreiche namhafte Illustratorinnen und Illustratoren haben seine Texte bereits ins Bild gesetzt: Wiebke Oeser, Kitty Crowther, Ingrid Godon und auch Axel Scheffler (Grüffelo). Die Zeichnungen im hier vorliegenden Band von Marc Boutavant fügen eine weitere Lesart hinzu und werden den zarten Zwischentönen in Tellegens Geschichten meisterhaft gerecht.

Toon Tellegen/Marc Boutavant: Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen.

Hanser 2015 für Kinder ab 6 Jahren

 

Veronika Mayer-Miedl