Bio boomt, vor allem seit auch Großkonzerne auf die Bio-Schiene setzen. Aber sind Lebensmittel aus biologischem Anbau wirklich gesünder? Und wie verträgt sich die Massenproduktion mit den Grundsätzen der biologischen Landwirtschaft?

Lautes Medienecho und viele Diskussionen zog kürzlich eine Studie nach sich, die zeigte, dass Bio-Lebensmittel kaum „gesünder“ sein sollen als konventionell hergestellte. Diese „Meta-Studie“ (also eine Analyse, die die Ergebnisse zahlreicher Untersuchungen auswertet) der Universität Stanford kam zu dem überraschenden Ergebnis, dass Bio-Lebensmittel weder vitaminreicher sind noch weniger Krankheitserreger beinhalten als herkömmliche Nahrung. Die einzigen festgestellten Unterschiede: Pestizidrückstände kommen in Biogemüse etwas seltener vor, das Fleisch von biologisch gezüchteten Tieren weist weniger Antibiotika-resistente Bakterien auf, und Bio-Milch enthält etwas mehr Omega-3-Fettsäuren. Ist Bio also am Ende gar nicht gesünder?

Ist Bio gesünder?

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Es kommt nicht nur auf die Inhaltsstoffe an!
„Auch in der Studie selbst wird darauf hingewiesen, dass man diese Frage nicht umfassend beantworten kann, wenn man die Untersuchung auf die Inhaltsstoffe reduziert“, erklärt Martin Tragler, Obmann von Bio Austria Oberösterreich. „Ärzte, Ärztinnen und WissenschaftlerInnen betonen immer wieder, dass es jahrelange Vergleichsreihen bräuchte, um festzustellen, ob Menschen, die sich biologisch ernähren, gesünder sind als andere.“ Auch solche langjährigen Studien hätten jedoch Tücken: Wer sich biologisch ernährt, lebt meistens  insgesamt bewusster und ausgewogener. Es ließe sich also schwer feststellen, ob der überdurchschnittlich hohe Gesundheitszustand ausschließlich von der Ernährung stammt.

Einen neuen Gesundheitsbegriff entwickeln.
Wie die zahlreichen Postings und Debatten in diversen Internetforen zeigen, lässt das Thema offensichtlich die Emotionen hochgehen. Bio-Befürworter argumentieren, dass es ohnehin nicht in erster Linie um die individuelle Gesundheit gehe, sondern darum, Boden und Klima zu schützen und Artenvielfalt zu bewahren. „Insofern bin ich sehr dankbar dafür, dass die Studie eine Diskussion in Gang gebracht hat. Wir müssen aufs Ganze schauen, einen Gesundheitsbegriff entwickeln, der über die persönliche Befindlichkeit hinausgeht“, ist Martin Tragler überzeugt. Das Interesse am Biolandbau war ursprünglich durch den Umweltschutz motiviert, wurde dann aber zu einer Art „Lifestyle“-Frage. Die Menschen wollen sich durch biologische Ernährung selbst etwas Gutes tun, es geht mehr um persönlichen Genuss als um einen sinnvollen und nachhaltigen Umgang mit Umwelt und Tieren. „Da ist es ganz gut, ein wenig über den Tellerrand zu schauen und sich wieder bewusst zu machen, dass es beim Biolandbau noch um viel mehr geht.“

Auch Biohühner sind nicht immer glücklich

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Auch Biohühner sind nicht immer glücklich.
Der Unterschied zwischen konventionellen und Bio-Lebensmitteln ist also nicht in erster Linie im Produkt selbst, sondern in der Produktion zu finden. Doch auch hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Wer hinter dem Biobrot aus dem Supermarktregal ländliche Idylle und liebevolle Handarbeit vermutet, irrt in den meisten Fällen. Wer glaubt, die Bio-Eier aus dem Kühlregal eines Lebensmittelriesen würden von glücklich im Sand scharrenden Hühnern stammen, wäre wohl zumindest erstaunt darüber, in welchen Massen und unter welchen Umständen Bio-Legehennen gehalten werden dürfen. Der Agrarbiologe Clemens Arvay kritisiert in seinem Buch „Der große Bio Schmäh“, dass herkömmliche und Bioprodukte oft aus der selben Massenproduktion stammen, und dass Eier und Hühnerfleisch beileibe nicht „direkt vom Biobauern“ kommen, sondern Konzernprodukte sind, die zahlreiche Transportwege hinter sich haben. Die großen Handelsketten würden mit ihrer Vermarktung, die auf Retro-Bauerntum und Idylle setze, die Sehnsucht der Menschen nach der Verbindung mit der Natur und nach ursprünglichen Lebensmitteln bedienen. Mit der Realität der Bioprodukte habe das aber nichts zu tun. Etwa gebe es zum Beispiel beim Transport von Schlachtvieh kaum Unterschiede, egal ob die Tiere aus konventioneller oder biologischer Landwirtschaft stammten. Und Bio-Milch mit dem Aufdruck „Länger frisch“ sei nicht wirklich länger frisch, sondern lediglich hocherhitzt, konserviert und denaturiert. Der Bio-Boom habe die ursprüngliche Philosophie des Biolandbaus völlig aus seinem ganzheitlichen Zusammenhang gerissen, so Arvays Resümee. 

Es gibt noch viel zu tun.
Auch Martin Tragler von Bio Austria, selbst „Hendlbauer“ mit rund 1800 Legehennen, gibt sich selbstkritisch: „Es braucht hier sicher eine Weiterentwicklung. Wir Biobauern und -bäuerinnen bemühen uns, aus dieser Tierhaltung, die sicher keine romantischen Vorstellungen erfüllt, das Beste zu machen. Natürlich sind auch wir betriebswirtschaftlichen Zwängen und marktwirtschaftlichen Gegebenheiten unterworfen, und es gibt noch viel zu tun. Ich persönlich hätte auch lieber kleinere, überschaubarere und ,menschlichere’ Strukturen. Wir Bäuerinnen und Bauern müssen mit Vertriebspartnern und Handel im Gespräch sein und Forderungen stellen, um beim Biolandbau nicht in die Menge, sondern in die Qualität gehen zu können. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass das speziell in kleinen Ländern wie Österreich möglich ist.“

Dass Bio-Lebensmittel hierzulande hohen Qualitätsstandards entsprechen, stellen auch KritikerInnen nicht in Frage. Egal ob im Supermarkt, im Bioladen oder direkt am Hof gekauft – zertifizierte Bioware wird streng kontrolliert. Ob der Griff zum Bio-Produkt aber schon ausreicht, um wirklich sinnvoll, umweltschonend und nachhaltig einzukaufen, ist jedoch fraglich.

Dein Einkauf entscheidet!

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Wir entscheiden selbst!
Klar ist: Letztendlich treffen wir KonsumentInnen die Entscheidung – und zwar mit dem Geldbörsel. Mit jedem Einkauf können wir die ursprüngliche Philosophie der biologischen Landwirtschaft unterstützen. Und zwar, indem wir die Nähe zum Erzeuger suchen und uns selbst ein Bild über Inhaltsstoffe und Produktionsbedingungen machen, anstatt uns ausschließlich auf die Werbung zu verlassen.

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Tipps zum Thema Bio Lebensmittel:

Bei Biomaps findest du Biobetriebe und Einkaufsmöglchkeiten in deiner Nähe.Bei Bewusstkaufen werden zahlreiche Bioprodukte analysiert und bewertet. Du kannst hier auch selbst Kommentare zu bestimmten Produkten abgeben.

Bei Lebensmittel-Check werden sowohl konventionelle als auch biologische Lebensmittel unter die Lupe genommen und so manche Schwindeleien und falsche Versprechen aufgedeckt.