Die ideale Lektüre zur Leseübung gegen Ende der Ferien zwischen 1. und 2. Klasse Volksschule

Bild: Verlag Jungbrunnen

Um Neues zu entdecken, muss nicht jedes Jahr eine Reise gebucht werden. Die unmittelbare Nachbarschaft birgt oft Stoff für die spannendsten Geschichten.

Der achtjährige Pontus und seine um zwei Jahre jüngere Schwester Lenka fahren heuer nicht auf Sommerurlaub. „Schließlich haben wir keinen Goldesel“, sagt die Mutter. Schon gar nicht wird irgendwo hin geflogen, das macht „außerdem Dreck in der Luft“.

Eine kleine feine Feriengeschichte, sowohl für Buben als auch Mädchen bestens geeignet:

„Sommer auf Balkonien“ Von Rusalka Reh, für LeserInnen ab 7 Jahren

 

Zuhausebleiben als Abenteuer

Weniger kann mehr sein – viel mehr!

Vereisen im Sommerurlaub gibt es heuer nicht für den 8-jährigen Pontus und seine um zwei Jahre jüngere Schwester Lenka. Beide Eltern arbeiten von Zuhause aus und scheinen mehr als genug Aufträge zu haben.

Damit die Ferienzeit für die beiden trotzdem etwas Besonderes ist, beschließen sie den großen Balkon ganz ihren Kindern zu überlassen. Kein geringes Opfer, denn im sommerheißen Leipzig (dem Wohnort der in Australien geborenen Autorin und wohl auch dem Handlungsort ihrer Geschichte) ist so eine Insel im kühlenden Lüftchen ein spezielles Privileg. Sofort wird das „Königreich Balkonien“ ausgerufen und gemeinsam mit der Katze genussvoll in Besitz genommen. Herrscher und Herrscherin hissen ihre selbst bemalte Flagge und richten sich mit Pölstern, Decken und Spielsachen zwischen den Balkonpflanzen häuslich ein.

Glückliche Nachbarschaft

Nebenan residiert „Frau Lattich, Königin von den Salatigen Emiraten“. Eine Dose an eine Schnur gebunden fungiert als Luftpost zwischen den Balkonen. Gleich am ersten Ferientag überrascht Königin Lattich die Geschwister mit einem Luftpostpaket, einem dicken Bündel, das in aller Morgenfrühe vom Nachbarbalkon geworfen wird und in Balkonien landet: Zur Überraschung hält es den Hinweis bereit, sie selbst sei zu alt und zu dicke, für ihre geliebte Hängematte geworden. Doch man könne so gut mit ihr verreisen, nun sei es Zeit, sie an jemand Würdigen weiterzugeben. Eine große Ehre für die beiden, die dann etliche Ferienstunden angeregt plaudernd und sanft schaukelnd eng aneinander gekuschelt darin verbringen.

Die mütterliche Fürsorge der Nachbarin, die den Kindern mit Rat und Tat zu Seite steht, gleicht die Zeitknappheit der Eltern aus: Im Haus gegenüber zieht ein verwöhntes wohlstandsverwahrlostes Bürschchen, der sein Vis-à-vis mit Nougatpralinenbeschuss drangsaliert. Dass es zur Sommerzeit auf engem Raum zuhause beinah unweigerlich zu Konflikten kommt, verwundert nicht. Die Streitigkeiten der Eltern sind für die Kinder dennoch unlustig. Gemeinsam mit Frau Lattich finden sie selbst dafür eine Lösung und feiern gemeinsam ein inniges kleines Mahl zur blauen Stunde, das auch den Eltern wohl tut und die Situation entspannt. Die beiden überlassen den Eltern an diesem besonderen Abend klammheimlich ihr Reich. Die Sommerromantik auf Balkonien zaubert ein Happy-End!

Ein warmer, humorvoller Grundton bestimmt das Buch und lässt die Beziehungsprobleme der Eltern an keiner Stelle bedrohlich erscheinen. Neben der gutherzigen Figur der weisen Nachbarin sorgt auch die harmonisch-liebevolle Geschwisterbeziehung (die kleine Schwester ist mutiger und gewiefter als der erzählende Bruder, eine starke Mädchenfigur!) für diese gute Stimmung.

Die zarten, in Grautönen gehaltenen Bilder von Anne Ibelings werden dem Text gerecht. Willkommene Auflockerung des schmalen Bändchens (gut 80 Seiten) für noch ungeübte Leser, genauso wie die kleinen teilweise in Handschrift abgedruckten Briefchen, die zwischen Balkonien und den Salatigen Emiraten hin und her geschickt werden.

Eine kleine feine Feriengeschichte sowohl für Buben als auch für Mädchen bestens geeignet, im unspektakulären, aber sehr greifbaren und gut vorstellbaren Rahmen, der Lebenswirklichkeit von Kindern im Volksschulalter einfühlsam nachempfunden.

Rusalka Reh: Sommer auf Balkonien. Mit Illustrationen von Anne Ibelings. Ab 7 Jahre, Verlag Jungbrunnen 2014 978-3-7026-5859-5, 14,95 Euro

Veronika Mayer-Miedl