Die Corona-Krise und ihr Übergehen in eine neue Form der Normalität beschäftigt auch unseren Papa-Blog-Schreiber Wolfgang Nell. 

Auf dem Heimweg vom Kindergarten habe ich zufällig zwei junge Frauen miteinander sprechen hören: „Weißt du was, heutzutage kannst du es dir gar nicht mehr erlauben, Kinder in die Welt zu setzten. Was haben die noch für eine Zukunft? Kannst du mir das verraten? Ich sag nur Corona und Klimakrise!“

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Ich blicke zu meinem fünfjährigen Sohn. Mit dem Geschenk eines erfüllten Kindergartentages in seinem Herzen schlendert er vergnügt neben mir her. Morgen wird der Tag wieder schön und gut werden. Davon ist er vollkommen überzeugt. Es sind seine letzten Kindergartentage. Im Herbst wird er zur Schule gehen.

In den letzten Monaten haben wir viel durchgemacht. Es war anstrengend, die drei Kinder und uns selbst durch die Krise zu lotsen. Die Erwerbsarbeit mit all den Sorgen und Ängsten und das Diktum der Leistungsbezeugungen unserer Kinder haben trotz der kompletten Veränderung des Schul- und Lebensalltags erfüllt werden müssen.

1979 habe ich in der zweiten Klasse Volksschule für mehrere Monate den Unterricht am Nachmittag erlebt. Ein Virus hatte unsere Normalität verändert. Unsere Klassenlehrerin war von einem Hund gebissen worden und dieser hatte ihr einen seltenen Virus übertragen, der sie für Monate pausieren hat lassen. Ich habe diese Form des Unterrichts genossen.

Wer schläft nicht gerne lange? Außerdem waren die Nachmittagsstunden geprägt vom Fußballspiel und Singen. Die Lehrer*innen der anderen Klassen haben sich die Stunden aufgeteilt. In der dritten Klasse haben wir den Stoff auch nicht so schnell aufgeholt, weil der neue Lehrer große Probleme hatte, halbwegs vernünftig und ausgeruht am Morgen den Unterricht zu starten. Auf Grund sonderbarer Unterrichtsmethoden ist er letztlich suspendiert worden. In der vierten Klasse haben wir alles schnell aufgeholt.

Der heimtückische Virus meiner Klassenlehrerin hatte keine Pandemie ausgelöst. Irgendwann war für uns alles wieder normal. Gut, es bleiben ein paar Geschichten hängen und für einige meiner MitschülerInnen hatte es durchaus psychische Konsequenzen, von einem Lehrer systematisch schikaniert zu werden. Jedoch hatte ich keine Angst um meine Zukunft. Ich hatte keinen einzigen Gedanken darüber verloren, dass irgendwann nicht wieder alles normal sein würde. Diese Normalität war mein unumstößliches Gerüst, auf das ich klettern konnte, um meine Zukunft zu erblicken.

Der häufigste Satz meiner Kinder dieser Tage ist: „Wann hört das Ganze endlich wieder auf?“ Ich muss ihnen antworten, dass ich es nicht weiß. Übrig bleibt die Ungewissheit. Übrig bleibt das Warten und übrig bleibt der aufkeimende Zweifel an einer normalen Zukunft: Sie wollen wieder, dass es so ist wie es war. Ihr Gerüst wackelt!

Ich habe für mich eine Antwort gefunden. Ich halte das Gerüst fest. Mit beiden Händen packe ich so gut es mir gelingt die Stützen und Pfeiler und sage zu meinen Kindern: „Klettert hinauf und schaut ohne Sorgen in die Zukunft! Das leichte Wackeln gehört dazu!“ Natürlich schaffe ich das nur mit anderen Menschen.

Ebenso brauchen unsere Kinder heutzutage ein paar neue Stützen und Pfeiler. Sie werden von kreativen und engagierten Menschen entwickelt, um das Gerüst für ihre Zukunft innovativ und tragfähig zu gestalten. Ein Wackeln wird es immer geben. Das muss nicht bedeuten, dass das Gerüst einstürzen wird. Dafür werden viele Menschen sorgen.

Den beiden jungen Frauen, meinen Kindern und überhaupt allen möchte ich sagen: „Habt keine Angst! Seid optimistisch! Natürlich haben wir eine Zukunft, auch wenn uns die Gegenwart ein wenig wackelig erscheint.“

Wolfgang Nell (48), akademischer Entwickler Sozialer Verantwortung, schreibt diesen Blog als Vater von drei Buben. Er kümmert sich zurzeit hauptsächlich um die Kinder im Alter von 6, 9 und 12 Jahren, während seine Frau Vollzeit als Ärztin arbeitet. Für Grünschnabel reflektiert er regelmäßig Erlebnisse aus seiner Familienwelt mit dem Lauf der „großen“ Welt, mit politischen und alltäglichen Geschehnissen.

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