Wer bei Fleisch spart, Getränke aus Alu-Dosen meidet, das Handy lange nützt trägt zum Schutz des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet Brasiliens bei. Wie die Lebensbedingungen der dortigen indigenen Bevölkerung mit unserem Konsumverhalten zusammenhängen, erklärt Johann Kandler* vom Klimabündnis im Grünschnabel-Interview.

Sie arbeiten seit den 1970er Jahren mit Indigenen im Amazonasgebiet?
Viele Kleinbauern in Amazonien hadern mit dem Großgrundbesitz. Die Bauern haben keine Landtitel. Sie werden vertrieben von Bergbau-Unternehmen, Rinderfarmen und von Holzschlägerungs-Unternehmen. Als Mitarbeiter in der Entwicklungszusammenarbeit gründeten wir Genossenschaften, Interessensvertretungen wie Gewerkschaften. Ich half aber auch dabei, Ausbildungszentren für Jugendliche zu gründen. Viele junge Menschen wanderten in die Städte ab, weil sie traditionelle Fertigkeiten wie Handwerk, Techniken aus der Landwirtschaft, Umgang mit der Natur etc. in der Schule nicht lernten. Dieses Wissen ist aber unerlässlich für ein Leben in der Region.

In dieser Region ist die Regenwaldabholzung ein massives Problem.

Ja, in den 1960er und 1970er Jahren stieg die Rodungsrate ständig an, wegen dem großflächigen Anbau von Soja für die Futtermittel-Industrie, wegen der Rinderhaltung und dem Bergbau. Bis 2004 wurden jährlich bis zu 25.000 Quadratkilometer gerodet, dann immer weniger. Die alte Regierung hatte sich verpflichtet, bis 2020 die Rodungsrate auf Null zu senken. Diese wurde aber inzwischen abgesetzt. Unter der neuen brasilianischen Regierung steigt die Abholzung wieder an.

Wie können wir durch unseren Lebensstil und unser Konsumverhalten den Druck auf Regenwaldgebiete senken?
1.    Indem wir weniger Fleisch essen.
Nach Österreich werden jährlich rund 600.000 Tonnen Soja aus Brasilien importiert, das großteils als Futtermittel in der Tiermast verwendet wird. Auch Hühnernuggets aus Brasilien werden nach Österreich eingeführt. Schweine und Geflügel werden in riesigen Mastbetrieben in Amazonien mit dem Sojaöl-Presskuchen gefüttert, also dem Abfallprodukt aus der Agrodieselproduktion für Biokraftstoffe. Das Fleisch wird zu Nuggets gequetscht und tiefgefroren nach Europa exportiert. Auch Schweineschlegel für die Speckproduktion kommen schon aus Brasilien.

2.    Indem wir Aluminium vermeiden.
Für die Aluminium-Produktion wird Bauxit abgebaut, dafür werden Wälder gerodet und der großflächige Abbau hinterlässt wüstenartig verödete Landstriche. Alu-Werke benötigen Unmengen an Strom, dafür werden wiederum Kraftwerke gebaut. Bei der Alu-Produktion entsteht hochgiftiger Rotschlamm, der in Auffangbecken gelagert wird. Diese werden in der Regenzeit oft überschwemmt und so gelangen hochgiftige Substanzen in die Gewässer. Aluminium wird nicht nur für Folien und Getränkedosen, sondern auch im Flugzeug- und Fahrzeugbau verwendet.

3.    Indem wir Handys möglichst lange nutzen und faires Gold kaufen.
Ein Handy enthält etwa 25 mg Gold. Zudem ist es in Laptops, iPads etc. enthalten. Gold wird in Amazonien meist illegal abgebaut. Die Goldgräber setzen dabei viel Wasser und Quecksilber ein und schwemmen große Mengen von Erdreich aus, um das wenige Gold auszuwaschen. Weltweit sind derzeit rund 7 Milliarden Handys im Einsatz. Das macht allein 175.000 (!) Kilo Gold. Dazu kommen noch Gold für Goldschmuck, sowie Gold-Barren, die in Krisenzeiten eine beliebte Anlage sind. Fair Trade bietet fair produziertes Gold an und faire Eheringe gibt es beim Juwelier Skrein in Wien.

Indigene haben ein ganz besonderes Verhältnis zu ihrem Lebensraum Regenwald.
Die Indigenen haben im Jahrtausende langem Zusammenleben mit dem Ökosystem Regenwald religiös-spirituelle Ideen und Konzepte des Zusammenlebens entwickelt. In dieser Vision ist der Mensch genauso Teil des Kosmos wie Tiere, Pflanzen, Steine, Wasser und alle sichtbaren und unsichtbaren Elemente. Es geht darum, so zu leben, dass auch alle anderen gut existieren können, weil auch diese Rechte haben, die der Mensch berücksichtigen muss.
Menschen, die das nicht respektieren, sich nicht einpassen in dieses Gesamtkonzept gelten aus der Sicht der indigenen Bevölkerung als unterentwickelt, unzivilisiert und primitiv. Menschsein bedeutet aus ihrer Sicht nicht, über materiellen Besitz zu verfügen, sondern über menschliche Qualitäten. Diese zeigen sich im Umgang und im Respekt der Mitwelt gegenüber, aber auch in der Bereitschaft, für die Gemeinschaft zu arbeiten und nicht egoistisch nur die eigenen Interessen zu verfolgen.

*Johann Kandler ist beim Klimabündnis Österreich für die Koordination der Klimabündnis-Partnerschaft am Rio-Negro in Brasilien sowie für Klimagerechtigkeit zuständig. Kandler war von 1972 bis 1992 in der Entwicklungszusammarbeit tätig und hat Beratungs- und Organisationsarbeit mit Kleinbauern im Amazonas und im Nordosten des Landes geleistet. Seit 1993 ist er beim Klimabündnis Österreich macht heute Öffentlichkeitsarbeit zur Partnerschaft mit indigenen Völkern und Regenwald und hält Vorträge über indigene Völker am Rio Negro.

Maria Zamut