Nunu Kaller hatte 33 Jacken und 34 Röcke in ihrem Kleiderschrank. Daneben Pullis, T-Shirts, Hosen und weitere Massen an Kleidungsstücken, von denen sie manche nie anzog. Als ihr Kleiderhaufen die Ausmaße eines Doppelbettes annahm, zog sie ihre Konsequenzen: Ein Jahr lang kaufte sie kein neues Gewand.

Die 33-jährige Wiener war an der Grenze zur Kaufsucht. Einkaufen als Belohnung stand bei ihr in einem Jahr voller Schicksalsschläge an der Tagesordnung. Als die Textilmassen selbst für sie zu viel wurden, beendete sie die Shopping-Touren von einem Tag auf den anderen und startete einen Blog über ihr Jahr ohne Kleiderkauf: ichkaufnix.wordpress.com.

„Mittlerweile definieren wir uns über unseren Konsum“, meint Nunu Kaller, die bei Greenpeace für die Detox-Kampagne zuständig ist. „Diese Kultur schnappt aus den USA nun auch zu uns über.“

Du bist, was du kaufst. Früher wunderte sich Kaller über die TV-Serien, in denen sich die Protagonistinnen immer in Kaufhäusern statt in Parks trafen. Heute erlebt sie täglich, wie dieser Trend in Österreich angekommen ist. „Über die Hintergründe der Textilproduktion machen sich dabei viele keine Gedanken“, erklärt sie. Auch Nunu Kaller kann davon selbst ein Lied singen. Obwohl sie jahrelang für eine NGO tätig war, biologisch einkaufte und versuchte, bewusst zu leben, blendete sie diesen Aspekt beim Gewand-Kaufen völlig aus. Vor ihrem Jahr Kleidungs-Fasten fand sie Hosen um 2 Euro im Abverkauf nicht bedenklich. „Ich hatte die Information, was dahinter steckt. Aber das half nicht.“

So schlägt sie in eine Kerbe, die viele Menschen betrifft. Spätestens seit Rana Plaza weiß die Mehrheit um die Produktionsbedingungen der Kleidung, die für die großen Textilketten erzeugt werden. Die Frage bleibt: Wodurch ändern Menschen ihr Kaufverhalten, wenn das Wissen alleine nicht hilft? „Wenn Information nicht ausreichend ist, braucht es vielleicht die Emotion“, überlegt Kaller. „Jeder Mensch braucht seinen individuellen, triftigen Grund, um etwas so Eingefahrenes zu ändern.“

Zusätzlich trägt die Schnelllebigkeit der Modewelt dazu bei, dass wir ohne Nachdenken das neueste Gewand mit in die Einkaufstasche stecken. „Nach zwei Wochen ist die neue Kollektion weg, ausverkauft, und wird nicht mehr nachproduziert“, erläutert Kaller. „Das heißt, man muss sofort kaufen.“

Im Gegensatz dazu schätzt die Wiener das Label „Göttin des Glücks“ – hier gäbe es zwar auch neue und verschiedene Kollektionen, vom Stil her blieben sie jedoch immer ähnlich, so dass ein Kombinieren leicht fiele. „Ich weiß hier, dass ich den Stil auch in ein paar Monaten oder Jahren noch darin wiederfinden kann.“

Auch Geschäfte wie Eduscho, die jede Woche Produkte zu einem neuen Themenschwerpunkt herausbringen, tragen zu diesem System bei. Wenn etwas nur wenige Wochen verfügbar ist, spricht das gleichzeitig unser Verlangen nach etwas Neuem an und verführt uns dazu, etwas zu kaufen, auch wenn es gerade nicht notwendig ist – denn in vier Wochen kann das günstige Produkt nicht mehr erworben werden.

Um dem zu entgehen, hat Nunu Kaller ihre eigenen Shopping-Regeln aufgestellt:

1. Nichts im Abverkauf kaufen – vor allem, wenn man es zum regulären Preis auch nicht erworben hätte.
2. Alles vorher anprobieren.
3. Kleidung nur kaufen, wenn sie auch passt – „irgendwann hineinschrumpfen“ ist keine akzeptable Begründung fürs Kaufen.
4. Mindestens zwei Teile, die man zuhause hat, sollen zum Neuerwerb passen.
5. Kauf etwas nur, wenn du dich von Anfang an darin wohlfühlst.
6. Kauf nichts, was gerade in ist, nur weil es in ist.
7. Kauf regional.

Und generell: Kauf weniger. Nunu Kaller hat in ihrer Kauf-Auszeit ihre Leidenschaft fürs Stricken entdeckt. Auch die Nähmaschine von Oma wurde annektiert. „Wenn man mit einem Pullover, den man selbst gestrickt hat, vor die Tür geht und Komplimente dafür bekommt, fühlt man so einen ganz eigenen, besonderen Stolz“, weiß sie. „Das macht einen einfach glücklich.“

 

Manuela Hoflehner