Paradeiser aus Fukushima? – Ein Bilderbuch macht nachdenklich

Bild: Moritz Verlag

Was wir selbst pflanzen und ernten schmeckt am allerbesten! Das weiß auch die kleine Hana in der Geschichte der japanischen Illustratorin Satomi Ichikawa. Sie hegt und pflegt ihre kleine Tomatenpflanze wie ein Kind.
Zwei Jahre nach Fukushima ist der Familienalltag in Tokio aber nicht gerade „wie im Bilderbuch“.

Der Wunsch vieler Eltern, ihr Kind möglichst gesund zu ernähren und sorgenfrei aufwachsen zu sehen, bedeutet viel Einsatz. Um das Risiko gesundheitlicher Langzeitfolgen zu kontrollieren, nehmen Mütter Anstrengungen auf sich und haben sich an die erschwerten Lebensbedingungen gewöhnt.

Wer eine Cousine hat, die seit langen Jahren in Japan verheiratet ist und sich tagtäglich um das gesunde Aufwachsen ihres kleinen Kindes sorgt und bemüht, für den hat das idyllische Bilderbuch einen doppelten Boden. Trinkwasser wird in Flaschen mit dem Fahrrad heim transportiert, auch zum Kochen ist das Wasser aus den Leitungen nicht immer sicher genug.

Alles ist komplizierter geworden. Bedenkenlos konntest du früher frisches Gemüse auf dem Nachhauseweg von der Arbeit oder vom Spielplatz mitnehmen: aus den Automaten die da und dort in Parkanlagen aufgestellt sind und Produkte regionaler Nahversorger anbieten. Das lässt du nun besser bleiben, denn meist stammt das Gemüse aus der Umgebung des Störfallreaktors. Verlässliche Angaben über die Herkunft findest du nur auf Verpackungsetiketten ausgewählter Supermärkte.

Außerdem kochen nicht alle Kinderbetreuungseinrichtungen „atomfrei“. Auf der Suche nach einer Kinderkrippe, die den Vorstellungen von verantwortungsvoller Ernährung entspricht, kannst du dir mancherorts den Vorwurf der Illoyalität gefallen lassen. Die Bauern der Region Fukushima müssten ihre Waren ja auch verkaufen: Wovon sollten sie sonst leben?

All diese Schwierigkeiten, das Ausgesetzt-Sein, spürt man im Bilderbuch durchschimmern im Taifun, der Hanas Pflanze im Garten beinahe hinwegfegt. Die Geschichte wird dominiert von der Sehnsucht nach der heilen Natur.

 

Die japanische Bilderbuchkünstlerin Satomi Ichikawa ist Autodidaktin und hat weltweit viele Bilderbücher veröffentlicht. Seit den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts lebt sie in Paris, ist viel auf Reisen und war seither nicht mehr in ihrer Heimat. Ausstellungen ihrer Werke führten sie nun wieder in den Garten ihrer Kindheit, den ihre Mutter immer noch bewirtschaftet.  Täglich zeichnete und malte sie frühmorgens dort. Hier ist auch „Das Tomatenfest“ entstanden, ein berührendes und poetisches Bilderbuch über das Glück, eine Pflanze wachsen und deren Früchte reifen zu sehen. Dieses Gefühl lässt sich gut in ihren naturgetreuen, detailreichen Aquarellbildern nachempfinden, die nebenbei auch erklären, wie unverzichtbar Bienen und Schmetterlinge für unsere Ernährung sind!

Bild: Moritz Verlag

Liebevoll kümmert sich Hana um das letzte im Supermarkt übrig gebliebene Pflänzchen, fast als wäre es ihr Haustier. Wie ein lebendiges Wesen will sie es in den Ferien zu Oma mit aufs Land nehmen. Dort wird ihr Schützling sorgsam eingepflanzt, gedeiht prächtig und übersteht sogar einen schweren Sturm. Am Ende des Sommers gibt es reiche Ernte. Ganz nach buddhistischer Tradition wird das Gemüse achtsam zubereitet und auf großen Blättern kunstvoll angerichtet. Gemeinsam mit ihren Eltern genießt Hana die Geschenke der Natur und bekommt sogar noch eine Kiste voller Tomaten mit nach Hause.

Das Thema des kleinen Mädchens, das Verantwortung übernimmt für ein mickriges Tomatenpflänzchen, trägt für uns erwachsene VorleserInnen vor dem Hintergrund von Fukushima eine größere Botschaft in sich: die Verantwortung der Menschheit für unseren Heimatplaneten.

Satomi Ichikawa: Das Tomatenfest, Moritz Verlag Frankfurt/M. 2013  978-389565-256-1, 13,40 Euro