Seit November finden die Koch-Workshops, geleitet von AsylwerberInnen, im luft*raum in der Linzer Bethlehemstraße statt.

Seit November finden die Koch-Workshops, geleitet von AsylwerberInnen, im luft*raum in der Linzer Bethlehemstraße statt.

Seit einem Jahr veranstaltet der Verein „KAMA Linz“ Kochkurse, die von AsylwerberInnen geleitet werden. Er schafft Orte der Begegnung, bietet Einblick in andere Kulturen und bringt Abwechslung in den Alltag des Wartens, dem viele Flüchtlinge ausgesetzt sind.

Auf der großen hölzernen Arbeitsplatte stapeln sich Lebensmittel. Neben Bekanntem wie Lauch, Zucchini oder einem Kopf Weißkraut mischt sich auch Exotischeres hinein. Zwei Packungen gefrorene Maniokblätter liegen in einer Schale. Die tiefgrüne Pflanze stammt eigentlich aus Südamerika, ist jedoch mittlerweile in Afrika auch weit verbreitet. Die Portugiesen brachten die Stärke-haltige Pflanze nach Afrika, um die Sklaven bei der Überfahrt nach Amerika am Leben zu halten. Das kostete anfangs einige Vergiftungstote. Roh ist die Wurzel giftig.
Von der Vergiftung sind wir an diesem Abend glücklicherweise weit entfernt. Zum einen erinnern die Maniokblätter mehr an Spinat und werden gut verkocht, zum anderen sind wir in den guten Händen von Dieu Merci, der uns eine Einführung in die afrikanische Küche gibt. Zwei Eintöpfe sollen die 10-köpfige Gruppe zubereiten – ein Erdnusseintopf mit Fisch und ein Maniok-Weißkraut-Eintopf. Die Gruppe ist jung, vorwiegend weiblich, ein paar Männer haben sich auch eingefunden. Die Stimmung ist gut. Vor allem sind wir neugierig. Einen Abend lang fremdländisch kochen, mit Leuten, die man nicht kennt und einem Kochkurs-Leiter aus einer Randgruppe, der üblicherweise in unserer Gesellschaft keine Kompetenz zugeschrieben wird: Flüchtlinge.

Kochen statt Warten

Vor einem Jahr entstand in Linz der Verein „KAMA“. Er bietet AsylwerberInnen eine Plattform, um in Koch- und Kreativworkshops ihre Kulinarik und Kultur zu vermitteln. Fast jede Woche findet mindestens ein Kurs statt, in dem senegalesisch, syrisch oder afghanisch gekocht wird. Vor einigen Wochen gab ein gelernter Koch aus Griechenland einen Improvisations-Workshops mit gespendeten Lebensmitteln vom Biohof Achleitner. Oft sind die Kurse schon Wochen vorher ausgebucht.
Die Köpfe hinter dem Verein sind Katja Kloimstein und Anita Pichler. Die zwei Linzerinnen studieren Soziale Arbeit an der FH. Der Verein entstand im Rahmen ihrer Masterarbeit. „Anita hat in Innsbruck mit illegalisierten marokkanischen Flüchtlingen gearbeitet. Ich habe bei SOS Menschenrechte meine Erfahrungen mit dem Thema gemacht“, erzählt Katja Kloimstein. „In der direkten Arbeit im Flüchtlingsbereich sieht man, welcher strukturellen Gewalt die Menschen dort ausgeliefert sind und welche Missstände herrschen. Dagegen wollten wir etwas tun.“
„Strukturelle Gewalt“ meint in diesem Fall vorwiegend das Arbeitsverbot. Während die Flüchtlinge im Asylverfahren stecken, dürfen sie keiner geregelten Arbeit nachgehen – und das oft über Jahre, bis der Asylstatus geklärt ist. Egal, wie das Asylverfahren ausgeht, diese Jahre des Wartens sind verlorene Lebenszeit.

“Fufu” oder doch Weizengrieß?

Fufu

Fufu

„Heißt es kongesisch oder kongolesisch?“, fragt eine Teilnehmerin im Workshop. Und gibt sich selbst die Antwort. „Wahrscheinlich kongesisch. Kongolesisch klingt komisch.“ Trotzdem ist letzteres richtig, wie wir erfahren. Noch viele weitere Lernerfahrungen warten an diesem Abend auf uns. Besonders das „Fufu“-Kochen wird mit Spannung erwartet. „Fufu“ ist eigentlich nur das kongolesische Wort für ganz normalen Weizengrieß. Ganz klar ist uns noch nicht, was das Besondere am Grieß-Kochen sein soll, doch die Vorfreude von Dieu Merci macht neugierig. Immer, wenn er „Fufu“ erwähnt, leuchten seine Augen und ein breites Grinsen schleicht sich in sein Gesicht. „Jeder macht sein Fufu selbst“, meint er noch während wir die Eintöpfe kochen. Bei manchen regt sich die Assoziation mit dem japanischen „Fugu“, dem giftigen Kugelfisch, der ebenfalls als Delikatesse gilt. Wir schwimmen aber in harmloseren Gefilden. Vor Weizengrieß hat niemand Angst.
Als die Eintöpfe fertig sind und auch der Fisch gebraten ist, machen wir uns an das ominöse Fugu. In einem Topf kocht Dieu Merci Wasser auf, bis es stark blubbert. Dann streut er den Grieß hinein, während er gleichzeitig stetig umrührt. Die Teilnehmer beobachten jeden Handgriff. Schließlich müssen wir es in ein paar Minuten selber machen, da darf nichts schief gehen.
Als die Masse fester wird, wechselt Dieu Merci auf einen Holzlöffel und rührt weiter, bis der Gries zusammenklebt. Daneben hat eine Teilnehmerin eine Salatschüssel vorbereitet, die sie innen dünn mit Öl bestrichen hat. Dieu Merci transferiert den Gries vom Topf in die Schüssel und bearbeitet die Kugel noch weiter mit dem Holzlöffel. Er drückt von oben auf den Gries, der sich damit immer mehr an die Form der Glasschüssel anschmiegt, bis er auf der Unterseite ganz glatt ist. Dann kommt das kongolesische Äquivalent zum Palatschinken-Schupfen: Mit einer Bewegung aus dem ganzen Körper wirft Dieu Merci die Grieskugel in die Luft und fängt sie nach einer Umdrehung wieder in der Schüssel auf. Er bearbeitet sie noch etwas, bis auch die zweite Seite glatt und glänzend ist. Die Grieskugel sieht jetzt ein wenig aus wie ein UFO. Eine weitere Bewegung aus dem Handgelenk befördert das UFO auf ein flaches Teller. Selten sieht angerichteter Grieß so gut aus.
Vier Stunden dauert der Workshop, inklusive Vorbereitung, dem gemeinsamen Essen und dem entspannten Ausklang. Dass Kochen für den Workshopleiter eine Leidenschaft ist, merkt man jede Minute. Als eine Teilnehmerin gelassen im Erdnusseintopf rührt, steht Dieu Merci daneben und ringt merklich mit sich. Schwungvoll im Topf zu rühren, so dass alles gut brutzelt, aber nichts anbrennt, gehört offenbar zu seinen liebsten Aktivitäten beim Kochen. Da fällt es ihm sichtlich schwer, nicht selbst Hand anzulegen. Doch das Kochen soll den TeilnehmerInnen überlassen bleiben.

Ohne Besteck: Das Essen wird “begreifbar”

Als es ans Essen geht, kommt die nächste Herausforderung. Dieu Merci hat uns schon vorgewarnt. „Im Kongo essen wir nicht mit Messer und Gabel, sondern mit der Hand.“ Für alle, die sich nicht drübertrauen, steht trotzdem Besteck bereit. Ein Großteil wagt sich jedoch über die kulturelle Hemmschwelle und die Stimmung blüht auf. Während die Gespräche beim Vorbereiten noch zurückhaltender waren, kann sich nun keiner mehr halten. Während uns Eintopf an den Fingern klebt und wir uns gegenseitig beim Brot-Schneiden aushelfen müssen, um unsere grünen Spuren nicht überall zu hinterlassen, regt sich das Gefühl: Wir sind in der kongolesischen Kultur angekommen. Die kulturelle Annährung hat auch uns TeilnehmerInnen näher gebracht. Das Ziel vom Verein „KAMA“ ist damit zumindest an diesem Abend schon voll erreicht.

„Wir wollen Räume der Begegnung schaffen, wo verschiedene Kulturen sich kennen lernen können“, meint Katja Kloimstein. „Es fällt leicht, ein gesichtsloses Kollektiv zu verurteilen. Bei den Workshops werden Berührungsängste abgebaut und die AsylwerberInnen können ihre Kompetenzen zeigen , sich einbringen und haben eine Abwechslung zum Alltag des Wartens.“

Welche Kompetenzen abseits der Kulinarik Dieu Merci noch hat, zeigt er beim Ausklang. Workshop-Begleiterin Maria Nowotny-Riegler gibt den Anstoß. „Dieu Merci kann auch sehr gut Geschichten erzählen“, wirft sie ein. Der Kongolese lässt sich nicht lange bitten. „Dann wechseln wir besser auf die Couch, da ist es gemütlicher. Und wir brauchen Trommeln.“ In manchen afrikanischen Dörfern versammelt sich die Familie abends nach dem Essen am Lagerfeuer und erzählt Geschichten, erklärt uns Dieu Merci. Quasi das Fernsehen des Südens. Drei Trommeln sind insgesamt da, also werden zwei weitere Teilnehmer gleich mit eingespannt, um mitzutrommeln. Und bei Trommeln und Geschichten kommt tatsächlich Lagerfeuer-Atmosphäre auf und Afrika fühlt sich ganz nah an.
Bevor wir schließlich nach vier Stunden gehen, begleichen wir den Lebensmittelbeitrag. Die Workshops sind an sich kostenlos. Die Ausgaben für die Lebensmittel werden geteilt. An diesem Abend macht das nur 5,50 Euro pro Person aus. Zusätzlich gibt es eine Büchse für freiwillige Spenden für den Workshop-Leiter.

 

Über KAMA Linz

Den Verein KAMA gibt es in Wien, Linz und Graz. In Linz wurde er im Februar 2014 gegründet. Neben Koch-Workshops gibt es auch Kreativkurse zum Trommeln, Beads-Schmuck knüpfen, Paletten-Workshops, etc. Geleitet werden die Workshops von AsylwerberInnen, MigrantInnen und Asylberechtigten. Seit November ist KAMA Linz im luft*Raum in der Bethlehemstraße 30 angesiedelt. 2014 waren rund 50 Menschen ehrenamtlich an der Vereinsarbeit beteiligt – als Workshop-Leiter, BegleiterInnen und Unterstützer.

Homepage: www.kama.or.at
Information und Fragen unter linz@kama.or.at 

 

Manuela Hoflehner