Als Nachtisch gibt es Beeren mit Kokos-Amaranth. Julia, die gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr macht, kocht vegan und bringt kreative Ideen in die Linzer Blinden-Wohngruppe.

Als Nachtisch gibt es Beeren mit Kokos-Amaranth. Julia, die gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr macht, kocht vegan und bringt kreative Ideen in die Linzer Blinden-Wohngruppe.

Gemeinsam Mahl zu halten ist ein Ritual, das über Jahrhunderte gewachsen ist. Und das nicht ohne Grund: Miteinander zu essen nährt Körper und Geist. Wir verbringen dabei Zeit mit unseren Lieben, können uns austauschen und strukturieren den Tag. Immer mehr tritt das gemeinsame Essen in Familien in den Hintergrund. Dabei können Kinder davon viel lernen, wie das Beispiel einer Linzer Sehbehinderten-Wohngruppe zeigt.

Wenn die Kinder und Jugendlichen der Wohngruppe „Kompass“ sich etwas vorgenommen haben, geizen sie nicht mit Kreativität. Gemeinsam haben sie ein indisches Putencurry gezaubert, dazu gibt es türkische Pide, österreichische Toaströllchen im Speckmantel und als Nachspeise Beeren mit Kokos-Amaranth. Eine Geschmacksreise rund um die Welt erwartet die bunt gemischte Wohngruppe des Linzer Zentrums für Seh- und Hörbildung, die aus Kindern aller Altersgruppen besteht. Zwei Behindertenbegleiter greifen den Kindern und Jugendlichen unter die Arme.
„Ich gebe dir die Avocado-Mango-Creme auf 12 Uhr“, sagt Behindertenbegleiter Markus Wöß und häuft dem blinden Benjamin ein paar Löffel der Creme auf den oberen Teil des Tellers. Gemeinsam kochen und essen ist für die blinden und sehbeeinträchtigten Jugendlichen in manchen Aspekten eine Herausforderung. Die Wohngruppe hat sie jedoch gut gemeistert. Schon in der Schule haben die Jugendlichen gelernt, wie sie auch ohne etwas zu sehen ein Spiegelei zubereiten, Zwiebel schneiden oder ein Butterbrot so streichen können, dass sie wissen, wo die Butter bereits ist.

Kochen statt Catering
„Früher wurde das Essen von einem Catering zubereitet“, erzählt Betreuer Martin Payer. Doch wenn die Jugendlichen sich vom Catering bedienen lassen, verlieren sie die Kompetenzen, die sie zuvor schon gelernt haben. Daher hat der Leiter der Wohngruppe vor einigen Jahren kurzerhand beschlossen, am Abend immer gemeinsam in der Gruppe zu kochen. Das unterstützt ihre Selbständigkeit und brachte im Laufe der Zeit bei den Kindern und Jugendlichen ganz andere Wünsche ans Tageslicht. „Irgendwann wollten sie auch Gerichte aus ihrer Heimat vorstellen und diese für die WG-Freunde kochen“, so Payer. Die Wohngemeinschaft ist kulturell bunt gemischt – hier leben muslimische Jugendliche, die auf Schweinefleisch verzichten, die FSJ-Mitarbeiterin ernährt sich vegan, und und und. Das gab den Anstoß für einen kulinarischen Austausch der anderen Art. Einmal im Monat kochen die Kinder nun groß auf. Der Schwerpunkt liegt immer auf einem anderen Land. Die Gespräche drehen sich dann nicht nur um das exotische Essen, sondern auch um die kulturellen Eigenheiten. Die Kinder fragen nach, wieso ihr bosnischer Freund kein Schweinefleisch isst, und wenn es ein Curry gibt, erläutert Payer den Hinduismus. „So passiert ein toller Austausch über die Herkunft der Kinder“, weiß Payer.

Gemeinsam essen: ein Ritual mit vielen Vorteilen
Zugleich hat sich auch das Koch- und Essverhalten der Gruppe verändert. „Die Kinder sind weniger wählerisch geworden.“ Und gleichzeitig viel weltoffener. Da es so viele unterschiedliche Neigungen gibt, leben die PädagogInnen die Idee vor, dass individuelle Vorlieben und kulturell-religiöse kulinarische Vorgaben respektiert werden. „Es muss nicht immer jeder alles gleich machen“, betont Payer. „Da wir diesen Gedanken seit Beginn tragen, ist das für die Kinder und Jugendlich auch ganz natürlich.“

Die Neugier zurück an den Küchentisch holen
Wie lässt sich diese kulturelle Bereichung auch in den weniger interkulturellen Familientisch bringen? Nichts leichter als das: Veranstaltet einmal im Monat einen interkulturellen Abend, für den ihr Gerichte aus einem festgelegten Land kocht. Dazu könnt ihr auch befreundete Familien einladen – einer kümmert sich um die Vorspeise, einer um die Hauptspeise und einer ums Dessert. Dazu kann man Musik aus dem Land spielen, sich über die Kultur informieren, etc.
Ganz spannend auch: An einem Abend exotisch kochen, z.B. indisch, und an einem weiteren in ein indisches Restaurant gehen und die Gerichte vergleichen. Die Mitarbeiter vieler exotischer Restaurants geben oft gerne Auskunft über die Besonderheiten ihrer Küche und freuen sich über das Interesse.

Manuela Hoflehner

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