Foto: Fotolia/yeonghason

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“Es wird scho glei dumpa…” nimmt die Familie von Wolfgang Nell in der Vorweihnachtszeit wörtlich und versucht sich im Stromfasten, was in der erleuchteten städtischen Umgebung gar nicht so einfach ist.

“Es wird scho glei dumpa, es wird scho glei Nacht…” Es wird scho glei dumpa, es wird scho glei Nacht…Wir singen dieses Lied sehr gerne in der Adventzeit. In bewegter Andacht vor dem Adventkranz, wie es bei drei aufgekratzten Burschen im vorweihnachtlichen Erregungszustand eben sein kann, wurde ich von einem meiner Söhne gefragt: „Was heißt eigentlich dumpa?“

Im allgemeinen kindlichen Sprachgebrauch ist die Dumpaheit nicht sehr populär. Meine sprachlichen Erklärungsversuche blieben dürftig, doch vor zwei Jahren haben wir die Dumpaheit erlebt:

“Die Türglocke geht nicht”, jammert einer meiner Söhne. Stille. Die Türe ist verschlossen. „Seht ihr irgendwo Licht?“, werfe ich in die bereits ein wenig fröstelnde familiäre Runde. Die Kinder schleichen ums Haus. Es dämmert. Kleine Flocken treiben um uns ihr winterliches Spiel. Kein Lichtschimmer dringt aus dem Haus. „Die sind ja gar nicht da“, rufen meine enttäuschten Kinder. Sollten sie aber, wir haben doch gestern noch telefoniert. Ein kurzer Anruf, …der Teilnehmer ist nicht erreichbar. Erst unser beherztes Pochen gegen die Haustüre lässt uns das Haus betreten.

Es wurde ein wunderbarer Spätnachmittag. Unsere Freunde fasten Strom. Sie drehen kein Licht auf. Sie verwenden keinen E-Herd. Sie haben ihre Smartphones ausgeschaltet. Sie haben die Türglocke still gelegt. Ein paar Kerzen bringen Licht in der Wohnung. Eine kleine Laterne erhellt notwendigerweise das WC. Draußen ist es beinahe dunkel. Es dämmert. Es wird dumpa, …der Tag wandelt sich allmählich in die Nacht. Wir haben diesen Tag in seiner Neige so sehr gespürt und genossen, dass wir beschlossen haben, von nun an jedes Jahr ebenfalls Strom zu fasten.

Advent. Inmitten unserer Stadt nehme ich die aktuellsten Weihnachtsdekorations-Neuheiten für Balkone wahr, aber keine Dämmerung. Die Farbe Blau ist heuer als Leuchtmittel für weihnachtliche Lichterketten an den Balkonen der Nachbarschaft sehr gefragt…blinkend. Die Stadt bleibt immer ein wenig hell.

Am 1. Adventsonntag schalten wir den Strom aus. Es tut uns allen gut. Wir werden ruhiger und irgendwie fröhlicher. Wir erfahren immer wieder an diesem Tag, wie extrem abhängig unser Leben von der Stromversorgung ist: Kein Facebook, keine SMS, keine Herdplatte, kein Computer, keine Waschmaschine, kein Radio. Ohne diese technischen Errungenschaften wird jede Menge Energie frei! Diese Energie nützen wir fürs Spielen und für das Miteinander. Diesen Tag erleben wir als paradoxes Geschenk, dass uns der bewusste Verzicht immer etwas zurückgeben kann:

Dann wird die Zeit still.
Stillste Zeit im Jahr.
Advent.

Wolfgang Nell (45), akademischer Entwickler Sozialer Verantwortung, schreibt diesen Blog als Vater von drei Buben. Er kümmert sich zurzeit hauptsächlich um die Kinder im Alter von 4, 7 und 10 Jahren, während seine Frau Vollzeit als Ärztin arbeitet. Für Grünschnabel reflektiert er regelmäßig Erlebnisse aus seiner Familienwelt mit dem Lauf der „großen“ Welt, mit politischen und alltäglichen Geschehnissen.