In der Autonomiephase werden die eigenen Ideen dem Kind sehr wichtig. Es will vehement damit gehört und respektiert werden, alles selbst machen und ist oft wütend oder frustriert. Eine solche Zeit wird laut Herbert Renz-Polster in allen Kulturen etwa zur selben Zeit beobachtet. Das weist auf ihren evolutionären Wert hin: Das zornige Verhalten der Autonomiephase muss dem Kind seit jeher Überlebensvorteile bringen. Und das, obwohl Wut enorm energieaufwändig ist.

In etwa beginnt die Autonomiephase rund um zwei Jahre und kann die ersten Lebensjahre umfassen. Sie ist individuell ausgeprägt, weil jedes Kind in Temperament und Vorerfahrungen unterschiedlich ist. Ursprünglich fiel in diese Zeit das Abstillen, was in der Steinzeit einen lebensbedrohlichen Einschnitt bedeutete: Weg von der immer verfügbaren kalorienreichen Nahrungsquelle, hinein in die Gruppe Gleichaltriger, die nun deutlich stärker auf sich selbst gestellt waren. Eine gesunde Antwort darauf ist es, seine Ansprüche und Ressourcen energisch zu verteidigen.

Auslöser für den kindlichen Zorn kann das Gefühl sein, zu kurz zu kommen: etwa wenn es sich mehr Nähe zur Mutter wünscht oder sich Vorteile gegenüber einem Geschwisterkind sichern will. Dahinter ist die uralte Angst lebendig, die den Abstillprozess begleitet – Lebenswichtiges nicht zu bekommen. Auch wenn das Kind de facto schon früher abgestillt oder nicht gestillt wurde, ist dieses Programm aktiv.

Frustration und Wut können sich auch einstellen, wenn das Kind sich als wirkungslos erlebt. Das Kind befindet sich in einem Ablösungsprozess und hat einen inneren Antrieb, sich mehr und mehr allein zurechtzufinden. Dazu muss es sich selbst erproben und üben, um Fähigkeiten zu erweitern und Herausforderungen zu meistern. Wird es in solchen Trainingsmöglichkeiten beschnitten, reagiert das Kind entsprechend darauf.

Frust und Wut begegnen
Kinder zeigen früh Interesse daran, selbst an ihrem Alltag mitzuwirken. Nütze diese offenen Fenster, auch wenn der Prozess langwieriger und ineffizienter wird. Wenn es nun, wo es mag, nicht kooperieren darf – wieso sollte es später wollen, wenn es soll?

Dein Kind braucht Begleitung, wenn es wütend oder frustriert ist, damit es lernen kann, seine Gefühle auszuhalten und konstruktiv damit umzugehen. Spiegle seine Gefühle und bleibe bei ihm: „Du ärgerst dich jetzt sehr.“, „Das wäre so toll, wenn du den Traktor haben könntest.“

Vergiss nicht: Dein Kind ist nicht sein Zorn. Neben Wut und Frust gibt es so viele lustige, schöne Gesten und verbindende Momente. Für sich einstehen zu lernen schließt soziales Verhalten nicht aus. Lasse die belastende Situation los, wenn sie vorbei ist, trage sie nicht nach.

Achte auf deine persönlichen Grenzen: Was ist für dich okay und was möchtest du nicht tolerieren? Es muss weder alles erlaubt sein, noch jede Situation zum Machtkampf werden. Wenn du etwas nicht möchtest, zeige das durch klare freundliche Worte auf Augenhöhe oder auch eine sanfte körperliche Grenze, etwa indem du die Mehldose festhältst, damit das Kind sie nicht ausstreuen kann.

Aus evolutionsbiologischer Sicht „trotzen“ Kinder nicht, weil sie unfähig und unreif sind oder ihre Eltern unterwerfen wollen. Vielmehr wird das Kind als kompetentes Wesen gezeichnet, das genau passend auf aktuelle Entwicklungsaufgaben reagiert. Sich das vor Augen zu halten, kann ein Lichtblick für strapazierte Eltern sein.

Für mehr Freude im Leben mit Kindern!
Katharina Maderthaner, MSc (Counseling)