Mathilda (5) und ihre Schwester Anna (7) spielen im Garten. Papa ist im Wohnzimmer, als er hört, dass seine Mädchen in Streit geraten. Er wartet noch kurz ab, ob sein Einschreiten notwendig ist. Als die Stimmen seiner Töchter lauter werden, geht er zu ihnen. Beide möchten gleichzeitig mit dem neuen Roller fahren, den sie von Oma zu Ostern geschenkt bekommen haben. Sie können sich in ihrem Zorn nicht einigen. Was ist zu tun?

Soll Papa an die ältere Anna appellieren, der kleinen Schwester den Vortritt zu lassen, da sie ja „schon vernünftiger“ ist? Soll Papa entscheiden, wer zuerst fahren darf oder soll der Roller als Streitgrund überhaupt in die Gartenhütte wandern? Damit würde der Vater in die Rolle eines Schiedsrichters schlüpfen. Mindestens eine seiner Töchter wäre gekränkt und niemand wirklich zufrieden. Und was wäre dabei der Lerneffekt für die Schwestern?

Stattdessen sollten sich Eltern als Vermittler zwischen den Kindern, als Mediatoren betrachten – so wie Mediatoren. Die Aufgabe von Mediatoren ist es, Konflikthelfer zu sein, wenn das notwendig ist. Eltern in der Rolle eines Mediators entscheiden nicht, wer Recht hat und was zu tun ist – es ist ja auch nicht ihr Konflikt, der da ausgetragen wird. Vielmehr helfen sie ihren Kindern, selbst eine Lösung zu finden. Es gilt das Prinzip: Eltern sind für den Prozess, Kinder für die Lösung zuständig.

 

Das bedeutet konkret:

1) Zuerst dürfen Mediatoren sich innerlich kurz zurücknehmen und beobachten, ob sie überhaupt gebraucht werden. Möglicherweise schaffen die lieben Kleinen es innerhalb von Minuten, selbst eine Lösung zu finden. Gegebenenfalls kannst du nachfragen: „Braucht ihr mich, oder könnt ihr euren Konflikt auch allein friedlich lösen?“

2) Wenn nötig, den Streit unterbrechen, nötigenfalls durch ein Machtwort. Nötig ist eine Unterbrechung dann, wenn die Kinder sehr emotional sind oder Verletzungsgefahr besteht. Der Mediator beschreibt dann nicht wertend die Situation: „Ich merke, ihr könnt euch nicht einigen, wer zuerst mit dem Roller fahren darf.“

Sind die Kinder momentan nicht zu einem Gespräch fähig oder bereit, trenne sie: „Wenn ihr euch wieder beruhigt habt, möchte ich mit euch reden!“

3) Nach einer kurzen Abkühlphase kannst du nachfragen: „Seid ihr schon bereit, darüber zu reden?“, um sicherzustellen, dass es kein Schreiduell wird. Anschließend werden beide Parteien angehört. Der Mediator hat dafür zu sorgen, dass sie einander ausreden lassen. Beispiel: „Wie ist es denn zu diesem Streit gekommen?“ – „Und was sagst du dazu?“

Als Konflikthelfer hilfst du deinen Kindern, ihre Gefühle auszudrücken und herauszufinden, was ihre Wünsche und Bedürfnisse hinter dem Streitgrund sind. Etwa: „Du wolltest so gerne deine Puppe spazieren fahren.“ Oder: „Das hat dich verärgert.“

Eine häufige Falle kann für uns Erwachsenen sein, die Aussagen selbst gleich zu kommentieren und zu beurteilen. Stattdessen sollen wir so zuhören und nachfragen, dass jedes Kind sich verstanden fühlt und auch selbst mehr Klarheit über seine eigenen Gefühle und Bedürfnisse bekommt.

4) Fasse die Situation objektiv und wertfrei zusammen und lade zum Verhandeln ein: „Da ihr nicht beide gleichzeitig schaukeln könnt, müsst ihr eine Lösung finden: Was schlagt ihr vor?“

5) Nun dürfen die Kinder verhandeln und selbst nach einer für sie passenden Lösung suchen. Du bietest ihnen Hilfestellung dabei, wenn nötig. Zum Beispiel: „Du möchtest jetzt also unbedingt mit dem Roller fahren. – Wie lange brauchst du ihn denn? Wenn du fertig bist, kannst du ihn dann deiner Schwester geben?“

Auch eigene Vorschläge kannst du einbringen, aber dafür auch das Okay der beiden Streitenden einholen: „Was haltet ihr davon, wenn…“ Wichtig ist, dass beide Beteiligten mit der Lösung einverstanden sein können.

6) Wenn es zu Beschimpfungen oder sogar Verletzungen gekommen ist, ist vielleicht eine Wiedergutmachung hilfreich. Auch dazu können die Ideen von den Kindern selbst stammen. Für den nächsten Streitfall werden abschließend noch Vereinbarungen besprochen: „Was müsst ihr beachten, damit nächstes Mal nicht wieder so ein Streit entsteht?“

7) Den eigenen Gefühlen nachzuspüren, selbst Lösungsideen zu suchen und eine für alle passende Lösung zu finden ist ein großes Stück Arbeit. Zeig den Kindern deine Anerkennung für ihr Bemühen, den Konflikt friedlich beizulegen: „Da habt ihr euch aber wirklich bemüht, eine faire Lösung zu finden.“

 

Wie werden sich Mathilda und Anna nun fühlen, nachdem Papa sie unterstützt hat, ihren Streit gemeinsam zu lösen? Und was können sie sich für spätere Situationen daraus mitnehmen, wenn kein „Schiedsrichter“ in der Nähe ist?

 

Für weniger Stress und mehr Freude in der Erziehung!

Katharina Maderthaner, MSc (Counseling)