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Klara, 7 Jahre alt, sitzt im Pyjama auf ihrem Bett: „Mama, ich brauch bitte noch ein Glas Wasser!“ Mama geht in die Küche um ein kleines Glas Wasser zu holen: „Hier, bitteschön.“ Nachdem Klara getrunken hat, muss sie auf’s Klo. „Okay, aber beeil dich!“, sagt Mama, schon ein wenig genervt. „Liest du mir noch eine ganz kurze Geschichte vor?“, bittet Klara zurück im Bett. Mama erwidert: „Ich habe dir vorher schon eine Geschichte vorgelesen, jetzt schläfst du.“ – „Aber ich bin noch gar nicht müde!“

Das kommt dir bekannt vor? Aus meiner eigenen Erfahrung und Schilderungen von zahlreichen anderen Eltern in meinen Kursen und Beratungen kann ich bestätigen, dass das eine wohlbekannte abendliche Szene in vielen Kinderzimmern ist. Mit ein wenig Humor betrachtet könnte man meinen, dass es eine Art ungeschriebenes Drehbuch gibt, nach dem sich quer durch verschiedenste Familien die Schlafengeh-Situationen am Abend überraschend ähnlich gestalten. Hauptdarsteller sind Kind(er) und Elternteil, Schauplätze sind Kinderzimmer, Bad, vielleicht auch Küche und WC. Die Handlung dreht sich um den Gewinn wertvoller Minuten außerhalb des Traumlandes.

Was könnte dahinter stecken? Nicht das Schlafengehen an sich ist etwas Schreckliches. Wenn Kinder abends zur Ruhe kommen, merken sie vielleicht unbewusst, dass ihnen noch etwas fehlt. In der Ruhe fällt erst auf, dass da noch Durst ist oder Hunger, vielleicht auch einfach „Hunger“ nach Kontakt mit Papa oder Mama. Für manche Kinder mag es auch eine Testsituation sein um zu schauen, wie weit Grenzen dehnbar sind. Höre auf dein Bauchgefühl, um herauszufinden, worum es im „Gute Nacht-Theater“ geht.

Ebenfalls aus meiner und der Erfahrung anderer Eltern gesammelt, findest du hier ein paar Tipps für eine angenehme Abendsituation:

  • Achte darauf, dass der „emotionale Tank“ deines Kindes bereits tagsüber gut gefüllt ist. Dabei hilft zum Beispiel, wenn du eine Zeit ungeteilter Aufmerksamkeit mit deinem Kind verbringst oder eine extra Kuscheleinheit.
  • Nutze bereits tagsüber eine ruhige Minute, um mit deinem Kind über seine Sorgen zu sprechen, wenn es bedrückt wirkt.
  • Rückt die Schlafengeh-Zeit näher, achte darauf, dass die Kinder nicht allzu aufkratzende Spiele spielen. Abends sind eher ruhigere Spiele an der Reihe, Ausgelassenheit und Bewegung bekommen am Nachmittag genügend Raum. Auch längeres Fernsehen wirkt auf Kinder aufputschend: Sie erleben das Gesehene mit, ohne dass der Körper diese Anspannung tatsächlich durch Bewegung abbaut.
  • Rituale sorgen für gute Gewohnheiten und eine angenehme, sichere Atmosphäre. Ein immer sehr ähnlich ablaufender Abend gibt deinem Kind Stabilität und es wird die Abläufe bald gut verinnerlicht haben. Überlege dazu: Was soll Teil des Abendrituals sein? Etwa relativ fixe Abendessenszeit, danach gemeinsames Spielen, die Sachen für morgen vorbereiten, Zähne putzen, baden, im Bett noch gemeinsam lesen, singen oder reden. Wie viel Zeit möchtest du den einzelnen Komponenten einräumen? Wo kannst du deinem Kind etwas angenehmer machen, das es nicht so gerne tut?
  • Wenn dein Kind bettfertig ist, ist der richtige Zeitpunkt darauf zu achten, ob alle Grundbedürfnisse gestillt sind: War das Kind am Klo? Hat es ausreichend getrunken oder steht eine verschließbare Trinkflasche neben dem Bett bereit? Übertrage deinem Kind schrittweise die Verantwortung dafür, sich um diese basalen Dinge zu kümmern. Frage es: „Bist du noch durstig? Spür mal in deine Blase hinein – musst du noch auf’s WC?“ Bei deinem älteren Kind kannst du fünf oder zehn Minuten auf der Uhr zeigen oder eine Sanduhr umdrehen – in dieser Zeitspanne kann es alles Wichtige erledigen, bevor es im Bett zur Ruhe kommt.
  • Ist dein Kind im Bett, sollte ein schönes gemeinsames Ritual den Tag abrunden und so das Zeichen geben: „Wir haben heute vieles erlebt und nun darf Ruhe einkehren, damit wir uns erholen können.“ Neben einer Geschichte kann das eine kurze Reflexion über den Tag sein, ein Eintrag im „Schatzbuch“, in dem schöne Momente festgehalten werden oder eine kurze Rückenmassage – was immer für dich und dein Kind stimmig ist. Dabei ist nicht die Dauer ausschlaggebend, sondern wirklich gemeinsam diese Minuten zu genießen.
  • Nachdem ihr euch eine Gute Nacht gewunschen habt, kannst du nun sicher sein, dass alle wichtigen Bedürfnisse deines Kindes gestillt sind: Essen, Trinken, WC-Gang und Herz-zu-Herz-Zeit. Deshalb darfst du deinem Kind zumuten, dass es auch ohne dich in den Schlaf findet.
  • Ruft dich dein Kind nochmal, oder kommt es aus dem Kinderzimmer, kannst du ihm das auch mitteilen: „Du warst am Klo, hast noch was getrunken und wir haben noch Mama-Klara-Zeit genossen. Ich bin sicher, du wirst nun gut einschlafen. Der Abend ist Mama-Papa-Zeit.“ Vielleicht muss dein Kind das auch öfters hören. Es sollte aber keine weitere Geschichte, längeres Aufbleiben oder Ähnliches geben.
  • Die Faustregel „Der Tag gehört den Kindern, der Abend den Eltern“ ist einfach aber hilfreich für eine Zeit des Auftankens für sich oder mit dem Partner.

 

Für weniger Stress und mehr Freude in der Erziehung!

 

Katharina Maderthaner, MSc (Counseling)

www.elternwerkstatt.at