Foto: Fotolia/Sycda Productions

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Viele Großväter ersetzen heute Väter, die wenig Zeit haben. Opas widmen sich häufig mit mehr Zeit, Gelassenheit und Geduld den Kindern als die Eltern es können. Die Pädagogin Julia Csongrady, selbst Oma, aus Ried im Innkreis hält Seminare für Großeltern ab. Im Grünschnabel-Interview spricht sie über die Rolle der Großeltern, speziell jene der Opas für die Kinder.

Die Pädagogin Julia Csongrady (67) hat drei Kinder, ist vierfache Oma und teilt ihr Wissen und ihre Erfahrungen gerne mit anderen bei Großeltern-Seminaren. Aber auch als Beraterin und Projektbegleiterin bei Schulhof-, Spielplatz- und Gartenprojekten mit viel Freiraum ist die Riederin tätig.

Welche Rolle spielen Großväter in der heutigen Lebenssituation unserer Enkelkinder?
Großväter werden zunehmend wichtiger: Da Väter oft mit der Karriere und der Existenzsicherung der Familie beschäftigt sind, die Kinder aber unbedingt ein männliches Vorbild brauchen. Viele Väter haben vielleicht aus diesem Grund bei den eigenen Kindern einiges versäumt und möchten das bei den Enkeln ganz bewusst nachholen. Großväter sehen die „Großelternseminare“ oft sehr pragmatisch und möchten einfach Infos einholen, wie sie es am besten machen. Ich gebe keine Ratschläge mit erhobenem Zeigefinger, weil jede Beziehung und jede Situation anders sind.

Worin liegt das Potenzial von Großeltern?
Sie hatten einfach schon ein längeres Leben, mit all den Erfahrungen, die sie gemacht haben. Unser persönliches Bild als Oma oder Opa setzt sich zusammen aus dem Bild, das wir von unseren Großeltern haben und dem, wie wir als Großvater oder Großmutter sein wollen. Es ist eine fast geheimnisvolle Beziehung, die Großeltern und Enkel miteinander verbindet: Es gibt so viele Gemeinsamkeiten, persönliche Eigenarten, Gesten, Lebenswege. Viele Enkel nehmen sich die Lebensentwürfe ihrer Großeltern zum Vorbild. In unserer nicht sehr kinderfreundlichen Gesellschaft, die viel mit Funktionieren und Druck arbeitet, sind Eltern oft gezwungen, diesen Druck an ihre Kinder weiterzugeben. Großeltern haben den Vorteil, dass sie das schon hinter sich haben, es bestenfalls hinterfragt haben und zu dem Schluss gekommen sind, dass dieser Weg vielleicht nicht so optimal ist.

Was können Großeltern vielleicht besser als Eltern?
Ihre Lebenssituation ist entspannter. Großeltern sind oftmals geduldiger. Sie können deshalb den Enkeln mehr Freiraum geben. Bei Großeltern ist alles etwas zeitverzögert, langsamer. Das ist eine Qualität, die Kinder brauchen. Dieses Schlendern, entdecken, stehen bleiben am Wegesrand, Alltäglichem viel Aufmerksamkeit geben. Das ist eine Alltagskompetenz, die auch Großväter ganz toll vorleben können: beim Radl reparieren, beim Beet anlegen, beim Stockschnitzen mit dem Taschenfeitl. Es ist ein Angebot „Komm mit, machen wir’s gemeinsam“, kein Befehlen, weil es getan werden muss. So werden die Kinder auch in diesen Alltags-Kompetenzen gestärkt.

Wie sieht es aus, wenn Großeltern verpflichtende Kinderbetreuungszeiten übernehmen?
Laut einer Studie tun das 60 Prozent der Großeltern. Dann gehört natürlich auch eine gewisse Erziehungsarbeit dazu. Da braucht es eine gute Kommunikation mit den Eltern. Wenn verschiedene Ansichten aufeinanderstoßen, muss man das mit viel Respekt ansprechen. Meist wollen die Eltern alles um 180 Grad anders und besser machen als ihre Eltern. Da kann es schon hoch hergehen. Aber die Enkel leiden darunter, wenn sich Eltern und Großeltern nicht einig sind. Dabei lernen die Kinder gerade aus unterschiedlichem Verhalten, sich ihre eigene Meinung zu bilden. Dann ist es eben bei den Großeltern so und bei den Eltern so. Man kann Kindern ruhig vertrauen, nur ein bisschen muss man aufpassen, dass sie nicht versuchen, Eltern und Großeltern gegeneinander auszuspielen. Bei mir zum Beispiel wissen die Enkerl, dass sie „zündeln“ dürfen, was daheim nicht erlaubt ist. Ich bereite alles vor, damit sie damit gefahrlos hantieren können. Denn was man nicht kennt, nie ausprobiert hat, erzeugt Angst. Und mit dem Opa werden jetzt im Frühling die Schnitzmesser ausgepackt.

Was sind mögliche Schwierigkeiten von heutigen Großvätern?
Väter und Großväter wollen oft Familienautorität ausstrahlen, weil das so ein altes, tradiertes Bild ist. Dabei versuchen sie aus einer erhöhten Position Weisheiten zu verbreiten. Das funktioniert aber nicht gut. Von solchen alten Rollenklischees sollte man sich verabschieden und sich als Opa auf freundschaftlicher Basis als Begleiter sehen. Oft staunen die Eltern, wie sehr sich ihre Eltern als Großeltern verändern können. Plötzlich spielt der Opa geduldig stundenlang mit dem Enkel Karten, was früher nie der Fall war. Das kann für die Eltern spannend sein, aber auch als schmerzhaft empfunden werden, wenn man sich mit der eigenen Kindheit noch nicht ausgesöhnt hat. Man darf als Großeltern nie den Fehler machen, nur mehr die Enkel zu sehen und die eigenen Kinder nicht mehr wichtig zu nehmen!

Welche Tipps hast du für Großeltern, ihre Enkel zu „beschäftigen“?
Die Kinder werden heutzutage schon genug mit Anforderungen und Ablenkungen bombardiert. Dabei verlieren sie die Bodenhaftung, die Geborgenheit. Ich habe zum Beispiel keinen Fernseher. Wenn meine Enkel zu mir kommen, bereite ich eine zum freien Spiel anregende Umgebung vor. Das dauert dann eine Zeitlang, bis sich die Kinder etwas finden, weil sie das „Narrenkastlschauen“ und sich langweilen nicht mehr gewohnt sind. Aber dann sind sie so vertieft ins Spiel, dass sie sogar aufs Essen vergessen. Die Frustphase der Kinder muss man halt aushalten können. Die Schule arbeitet ohnehin oft nur mehr mit Druck. Die Kinder brauchen aber Freiräume!

Es kann auch sein, dass Großeltern kein Interesse haben, ihre Enkel zu betreuen, weil sie lieber ihre Ruhe haben möchten. Dann sollte man das auch akzeptieren und vielleicht lieber den „Oma-Dienst“ vom Land in Anspruch nehmen. Das ist eine ganz tolle Sache für beide Seiten! Großeltern sollten Vertrauen haben, dass sie alles haben, was es braucht. Denn sich Zeit nehmen, Hinschauen, Zuhören, Erzählen, Vorlesen, Mitmachen lassen und vor allem auch die eigene Lebensgeschichte weitergeben, sind ganz wertvolle Dinge für das Kind. Eine Familie ist wie ein Ohrensessel: Sie schafft im besten Fall Sicherheit. Und wenn Oma und Opa erzählen, dass sie existenzielle Probleme überwunden haben, nach schwerer Krankheit wieder gesund wurden und gemeinsam auch andere Schwierigkeiten gemeistert haben, schafft das bei den Enkeln Vertrauen ins Leben.

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Daniela Christl