In unserer Stadt haben wir die erste Schulwoche hinter uns gebracht. So sehr die Ferienzeit vor dem Sommer herbeigesehnt worden war, so sehr wurde mit den letzten Tagen der Ferienzeit der Ruf nach der Schule immer lauter. Mein ältester Sohn kommentierte diese Zäsur mit einem fröhlichen “Endlich!”

Dieses Endlich ist auch mir auf den Lippen gelegen und sooft ich in der Stadt mit Eltern von SchülerInnen und Kindergartenkindern ins vertrauliche Gespräch gekommen bin, haben sie dieses “Endlich” ebenso zum Ausdruck gebracht.

Knapp vor Schulbeginn habe ich mit meinen beiden älteren Söhnen ein Gespräch über die Zeit geführt. Den Rahmen dieser Worte bildete ein verregneter Augusttag. Die Ferienzeit währte schon lange und viele Bücher waren gelesen und viele Spiele waren gespielt. Dem Drängen nach väterlicher Unterhaltung entgegnete ich mit dem pädagogischen Supersatz: “Geht spielen!” Dann kam das mit der Zeit. Die Zeit würde sich immer wieder sehr unangenehm verändern. Vor den Ferien vergeht sie langsam, zu Beginn der Ferien zu schnell und am Ende der Ferien bremst sie sich in ihrem Gang wieder sehr gewaltig ein. Als aufmerksamer Vater müsste ich das Bemühen der Zeiterfassung von Jean-Paul Satre oder Martin Heidegger in die Diskussion werfen, aber es geht im Wesentlichen ja auch ein wenig darum, dass wir als Stadtmenschen in einer Wohnung sehr selten den Kindern eine Tür in den Hausgarten mit angrenzendem Wäldchen öffnen können. Vor unserer Tür dröhnt ab den frühen Morgenstunden der Lärm einer großen Baustelle und die lieblosen Minirutschen des Wohnblocks können gerade noch meinem Kleinsten ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

Mein kreativer Diskussionsbeitrag ist eine kleine Rede über den immensen Wert der Langeweile. Mittels verklärenden Worten, ich bin in einem Haus mit Garten und angrenzendem Wäldchen aufgewachsen, habe ich über die innere Ruhe (furchtbarer Langeweile) gesprochen, die in uns Kindern, in den Nöten fehlender Unterhaltung, das in uns schlummernde Potential einer kreativer Freizeitgestaltung hervorgebracht hat.

Sie haben mich mit großen Augen angeblickt und mein ältester Sohn hat nach einem Moment eben dieser aufkommenden Ruhe eine Frage in den Raum geworfen: “Dürfen wir Fernsehen?” – Vater: “Okay, aber bloß eine halbe Stunde.”

So ist das mit der Zeit. Sie ist und will von den Kindern genützt sein. Sie will auch ein wenig von mir genutzt sein. Der Gesschirrspüler läßt sich später einräumen und noch höre ich nicht den Schleudergang der Waschmaschine. Ich lasse die Zeit sein und widme mich, solange meine drei Buben auf der Couch lümmeln, meinem geistigen Sommergefährten Meister Eckhart (1260 – 1328):

Ein Weiser wurde gefragt, welches die wichtigste Stunde sei, die der Mensch erlebt, welches der bedeutendste Mensch, der ihm begegnet, und welches das notwendigste Werk sei. Die Antwort lautete: Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart, der bedeutendste Mensch immer der, der dir gerade gegenübersteht, und das notwendigste Werk ist immer die Liebe.

Wolfgang Nell (44), akademischer Entwickler Sozialer Verantwortung, schreibt diesen Blog als Vater von drei Buben. Er kümmert sich zurzeit hauptsächlich um die Kinder im Alter von 2, 5 und 8 Jahren, während seine Frau Vollzeit als Ärztin arbeitet. Für Grünschnabel reflektiert er regelmäßig Erlebnisse aus seiner Familienwelt mit dem Lauf der „großen“ Welt, mit politischen und alltäglichen Geschehnissen.