Kinder, Lehrerin und Workshopleiter stehen in Gang vor der Klasse

Bild: Teilnehmer vom Sinnesworkshop -freiraum-europa.org

Ein Workshop mit Blinden in der Volksschule Linz-Auhof
„Das Butterbrot im Dunkeln streichen war das Lustigste!“, meint Edvin. Der siebenjährige Volksschüler hat gerade eine gute Stunde in völliger Dunkelheit in seinem Klassenraum verbracht. Das kommt nicht alle Tage vor und ist für die SchülerInnen der Volksschule Lisa Junior in Linz-Auhof eine spannende Abwechslung vom Schulalltag. „Die Ratespiele und die Jause im Dunkeln waren lustig, aber trotzdem kann man sich vorstellen, dass es nicht so lustig ist, blind zu sein“, meint Edvin.

Er und seine MitschülerInnen haben mit Dietmar Janoschek und Elfriede Dallinger einen so genannten Dunkelworkshop gemacht.

Behinderung verstehen
Dabei geht es darum, den Kindern in spielerischer Weise Verständnis für Behinderung zu geben. Aber auch die Wahrnehmung, das körperliche Erleben, was passiert, wenn der Seh-Sinn ausfällt, soll vermittelt werden. Janoschek und Dallinger sind beide selbst blind und bieten die Dunkelworkshops für Schulen über den Linzer Verein freiraum-europa an. Janoschek: “Wir haben immer wieder Spaß an der Arbeit mit den Kindern, denn man merkt ihnen an, wie sehr sie das ungewöhnliche Thema fasziniert.”

Nach der Begrüßung und einer kurzen Information werden die Kinder der 2e und ihre Lehrerin Marion Lovasz mit Augenbinden in den Klassenraum geführt. Dieser ist zwar mit Folien abgedunkelt, aber nur ein kleiner Lichtschein reicht, um sich zu orientieren. Die Augenbinden sollen sicherstellen, dass die Kinder wirklich gar nichts sehen und sich so auf ihre anderen Sinne konzentrieren.

Hören ohne Sehen ist anstrengend

Butterbrot mit Butter und Messer

Bild: liveostockimages/Fotolia.com

Der Hörsinn wird während des einstündigen Workshops zur Herausforderung, denn wenn in der Klasse alle gleichzeitig reden, versteht man nichts mehr. Elfriede Dallinger kennt da aber einen Trick: „Nur wer vorher seinen Vornamen sagt, darf sprechen, wenn ich ihn aufgerufen habe, denn sonst kennt sich keiner mehr aus.“ Das funktioniert auch super gleich beim ersten Ratespiel. Die Kinder sitzen an ihren Tischen und bekommen drei verschiedene Schälchen mit Gewürzen. Erst einmal herrscht Verwirrung: Wer sitzt denn neben mir am Tisch? Wo sind die Schälchen jetzt? Was nicht sehr stark duftet, ist schwierig zu erraten. Doch am Ende haben alle die Lösung: Zimtstangen, Pfeffer und Majoran.

Tasten und Fühlen: Kiwis sind haarig, Äpfel glatt
Dann stellt Elfriede Dallinger einen Korb mit Obst auf die Tische. Die verschiedenen Obstsorten sollen durch Tasten erraten werden. Da wird gefühlt, gespürt und vermutet, man tauscht sich aus und gibt sich Tipps. Nach einigen Diskussionen sind alle Obststücke erkannt.

Die Butter landet am Tisch und auf den Fingern
Der Höhepunkt ist die „Aktion Butterbrot“. Jede/r SchülerIn erhält eine Scheibe Brot, ein Plastikmesser und für jeden Tisch gemeinsam eine Schale Butter. Die Aufgabe lautet: Streiche dir ein Butterbrot! Das klingt leichter als es ist. Größte Aufmerksamkeit ist gefordert, denn das Brot und das Messer kann man ertasten, aber wieviel Butter auf dem Messer landet, spürt man nicht. So einige Brote bleiben leer und der eine oder andere Finger landet in der Butterschale. „Ich hab viel zu viel Butter erwischt, und auch nicht alle Obstsorten erkannt“, erzählt Caroline. Sie findet den Workshop spannend. „Mit der Augenbinde fühlt man sich komisch, gerade am Anfang, wenn es noch ungewohnt ist. Es fühlt sich so an, wie wenn man nachts in seinem Zimmer aufwacht und alles stockdunkel ist“.

Keine Traurigkeit
Auch im Klassenraum ist es immer noch dunkel. Jetzt geht beziehungsweise tastet sich jedes Kind nach vorne zum Pult. Da sitzt Dietmar Janoschek an seiner Blindenschreibmaschine. Gemeinsam mit ihm schreibt jeder seinen Namen auf die Dunkelgänger-Diplomurkunde. Währenddessen fragen die Kinder Elfriede Dallinger alles, was ihnen spontan einfällt: „ Treibst du Sport?“, „Gehst du auch ins Kino?“, „Warum bist du blind?“ „Kann man als Blinder auch heiraten?“ und schließlich die allumfassende Frage: „Hast du eigentlich ein gutes Leben?“ Darauf antwortet Dallinger ganz gelassen mit einer Gegenfrage: “Sehe ich so aus, als wenn ich traurig wäre?“

Auch Caroline, 7, glaubt nicht, dass blinde Menschen unbedingt unglücklich sind. Und Edvin meint, dass es sicher nicht so super ist, blind zu sein, aber dass die Blinden damit gut zurechtkommen. Er habe eine ältere Nachbarin, die sehr schlecht sehe und mit einem Stock gehe. Er könne sich jetzt besser vorstellen, wie sich das anfühlt. Er selbst würde am meisten das Kino und Basketballspielen vermissen, wenn er kein Augenlicht mehr hätte. Auf jeden Fall würde er gerne nochmal bei so einem Projekt mitmachen.

 

Tipp:
Die Workshops werden vom Verein freiraum-europa für Schulen angeboten und dauern rund 90 Minuten. Die Kosten richten sich nach Entfernung und Teilnehmerzahl.
Mehr Infos gibt es beim Verein freiraum-europa in Linz.