Heidi (55) ist Lehrerin in einer Mehrstufenklasse. Sie unterrichtet seit zehn Jahren Volksschulklassen mit bis zu drei Schulstufen, meist Vorschule sowie die erste und zweite Schulstufe. Im Grünschnabel-Interview erzählt sie aus ihrem Unterrichtsalltag mit Lernspielen, Freiarbeitsassistenten und dem Kummerkönig.

Heidi ist seit den 1980er-Jahren Lehrerin und hat immer an Regelschulen unterrichtet. Die 55-Jährige ist neben Volksschullehrerin ausgebildete Sonderschulpädagogin, Lebens- und Sozialberaterin und ist zudem mit den Unterrichtsmethoden von Maria Montessori vertraut. Ihr Credo: Den Kindern möglichst viel Freiraum lassen und ihnen eine sorgfältig vorbereitete Lernumgebung anbieten.

„Es ist natürlich eine Herausforderung, Kinder der Vorschulstufe sowie der ersten und zweiten Klasse gemeinsam zu unterrichten. Das braucht viel Vorbereitung und Abwechslung“, sagt sie über ihre Tätigkeit als Lehrerin in einer Mehrstufenklasse in Linz. In ihrem Unterricht wechseln sich Stunden, in denen neue Inhalte erarbeitet werden, ab mit Sequenzen, wo Gelerntes vertieft wird, etwa in Form von Freiarbeit. Und es gibt Teamlehrerstunden. In diesen Einheiten werden Inhalte der ersten und zweiten Schulstufe getrennt erklärt.

„Ein Hauptteil des Lernens besteht in meiner Klasse aus Lernspielen. Das spielerische Lernen ist oftmals mit Bewegung kombiniert“, erklärt die Lehrerin. Etwa beim Rechnen mit dem Schleuderbrett. Wie das Mathe-Katapult funktioniert, zeigt dieses Youtube-Video. Lernwörter werden mit Hilfe der Lernwörter-Rakete und einer Abwandlung eines Himmel-Hölle-Spiels vertieft. Dabei holen sich Kinder ein Lernwort, springen, schauen sich das Wort an, schreiben es auswendig auf und kontrollieren sich dann selbst. Mit einer Fliegenklatsche kann man wunderbar Schnellrechnen üben. Sie nutzt aber auch viele der Montessori-Materialien, wie etwa um die Malreihen zu erlernen, Perlenstäben aufzulegen oder auch Streifenbretter für Plusrechnungen.

Die soziale Komponente ist der Lehrerin ebenfalls wichtig. „Oft machen wir Spiele, bei denen sich die Kinder gegenseitig einladen, etwa einem anderen Kind vorzulesen und so ein natürliches Vorleseszenario zu erleben. Das ist für den Vorleser, wie auch für den Zuhörer ein Riesen-Gewinn und peinliches Vorlesen vor der ganzen Klasse wird vermieden.“

Die Selbstständigkeit der Kinder in ihrer Klasse fördert sie, indem die SchülerInnen wechselweise verschiedene Rollen im Klassenverband übernehmen. So etwa gibt es täglich eine/n Freiarbeitsassistenten/in, der die anderen Kinder kontrollieren darf. Das Kind des Tages, das in der Früh mit den anderen Kindern den Stundenplan bespricht, schaut, wer fehlt und stellt sicher, dass alle die Hausübungshefte abgegeben haben. Streitigkeiten werden im Kreis mit Hilfe des Bären „Kummerkönig“ und den Schritten der Gewaltfreien Kommunikation bearbeitet.

Lehrerin als Lerncoach
Es gibt einen Wochenplan mit verschiedenen gestellten Aufgaben. „Das kann zum Beispiel sein: Mache je zwei Lese- und zwei Rechenspiele. Es sind bewusst eher grobe Angaben, denn das Kind soll selbst entscheiden, welche Spiele es wählt.“ In den Freiarbeitsheften dokumentieren die Kinder den Lernprozess. So kann sie dann genau nachvollziehen, ob die Kinder auch wirklich etwas aus allen Bereichen, also Mathe, Deutsch, Lesen durchgearbeitet haben. „Wenn ich sehe, dass sich ein Kind sehr auf Mathe-Lernspiele konzentriert, dann rege ich es an, sich in nächster Zeit mehr den Lese- und Schreibspielen zu widmen. Ich fungiere da eher als Lerncoach.“

Besonders im Sachunterricht kann Heidi aus einem großen Fundus an Lernspielen schöpfen. „Hier fällt die Trennung zwischen den Schulstufen weg, denn ob zum Beispiel der Schmetterling in der ersten oder zweiten Klasse durchgenommen wird, ist eigentlich egal.“ Hier arbeitet sie mit ihren SchülerInnen oft projektorientiert. Es wird ein Thema vorgegeben und verschiedene Kinder oder Kindergruppen erarbeiten verschiedene Aspekte zu dem Thema. Dann gibt es Präsentationen oder es werden kleine Bücher zu dem Themenblock gestaltet.

Viele Eltern von Kindern in der Mehrstufenklasse können sich nicht vorstellen, wie Freiarbeit funktioniert. „Diesen empfehle ich dann, auf Seiten wie www.innovativelernspiele.at zu schauen, um sich ein Bild von der Vielfalt an Möglichkeiten zu machen“, erklärt die Lehrerin.

„Für das Unterrichten in einer Mehrstufenklasse braucht es eine gute Struktur und viel Erfahrung, aber man wächst mit der Aufgabe“, findet die erfahrene Pädagogin. „Ich bin in den vergangenen Jahren viel gesessen und habe Lernspiele konzipiert und gebastelt, es gibt dazu aber auch viele Anregungen in Büchern und im Internet.“

Maria Zamut

Verlinkungen:

Mehrstufenklasse: Die Sicht des Schülers

Mehrstufenklasse: Die Sicht der Eltern